Mutter-Sohn-Beziehung: Und tschüss, Mutti!
Von Uwe Mauch
Eine Studie jagt die andere, ein Buch folgt dem nächsten. Bis es auch der dickhäutigste unter uns Männern verstanden hat: Männer werden heute nicht so alt wie die Frauen, werden früher krank und eher arbeitslos. Sie sind zunehmend weniger gut ausgebildet, trinken mehr Alkohol. Und kommen schlecht damit zurecht, dass ihr 4000 Jahre altes Patriarchat innerhalb von nur vier Jahrzehnten arge Kratzer abbekommen hat.
Die Zeiten werden für Männer härter, heißt es. Da hilft auch nicht der Einwand, dass es Männern noch nie so gut gegangen ist wie heute. Immerhin greift uns heute kein Säbelzahntiger mehr an, müssen wir auch nicht mehr 16 Stunden ohne Wochenende und Urlaub schuften, sterben wir nicht mehr mit 30, weil es längst spezielle Medikamente für die typischen Männerkrankheiten gibt.
Das Männer-Prinzip
Als wär’s noch nicht genug, setzt der Nürnberger Autor und Lebenstrainer Uwe Pettenberg noch etwas drauf. In seinem neuen Buch "Das Männerprinzip" und im Interview mit dem KURIER erklärt er, warum die Loslösung von der eigenen Mutter vielen Männern schwerfällt.Und mit welchen Problemen sie deshalb zu kämpfen haben.
KURIER: Herr Pettenberg, der Untertitel Ihres Buchs lautet: "Warum die einen glücklich sind und die anderen immer noch suchen." Zu welcher Gruppe zählen Sie sich?
Uwe Pettenberg: Ich zähle mich heute zur Gruppe der Glücklichen. Das war aber nicht immer so. Bis zum Jahr 2000 war ich Eigentümer einer Werbeagentur mit etlichen prominenten Markenfirmen als Kunden und einem sehr hohen Perfektionsanspruch. Woraus folgte, dass ich damals ständig überlastet war.
Woher kam bei Ihnen der hohe Perfektionsanspruch?
Es war auch in meinem Fall so, und ich habe das lange Zeit nicht bemerkt: Ich habe schon als Kind darunter gelitten, dass die Beziehung meiner Eltern nicht gut funktioniert hat. Ich bin nach ihrer Scheidung bei meiner Mutter aufgewachsen. Glaubte, neben ihr meinen Mann stehen zu müssen. Und wollte ihr und gleichzeitig auch mir später immer genügen.
Vielleicht nur ein Einzelfall?
Keineswegs. Ich treffe auf viele Männer in meinen Seminaren, die sich von der imaginären Nabelschnur ihrer Mutter nicht lösen können. Da erzählt zum Beispiel ein 55-jähriger Apotheker nach einem Burn-out, dass er nie und nimmer Apotheker werden wollte. Dass er es aber auch in all den Jahren nie gewagt hatte, den ungeliebten Beruf in der Apotheke aufzugeben. Der Mutter zuliebe.
Warum können sich Ihrer Meinung nach Männer nicht von ihrer Mutter lösen?
Nicht, weil ihre Mütter böse sind, mehr, weil ihre Väter nicht verfügbar waren, übrigens auch in jenen Familien, in denen sich die Eltern nicht scheiden ließen. Mütter wollen immer nur das Beste für ihre Kinder. Doch sie machen aus Liebe aus einem Buben oft ihren Ersatz-Mann.
Unter welchen Symptomen leiden Männer, die sich nicht von ihrer Mutter lösen können?
Da habe ich zwei verschiedene Typen ausgemacht. Den einen habe ich bereits beschrieben: Das ist einer wie ich es war, der ständig aktiv ist, der ständig mehr im Beruf erreichen möchte, der zwar viele Freunde und Bekannte hat, die aber im Wesentlichen mit seinem Beruf in Verbindung bringen muss. Mir haben Männer schon geklagt: Was bin ich für ein Rindvieh! Ich habe nicht einmal mitbekommen, wie meine Kinder erwachsen wurden.
Und der andere Typ?
Der leidet unter seinen Ängsten und Schuldgefühlen, hat daher auch zu wenig Selbstwert, zieht sich daher zurück, und leidet in weiterer Folge auch an einem Mangel an Freunden.
Reden die Männer offen über solche Probleme?
Anfangs gar nicht. Frauen stehen viel offener, viel ehrlicher zu ihren Problemen. Und sie interessieren sich viel mehr für die Probleme anderer. Männer gehen gemeinsam einen trinken, reden dann aber nicht, leiden lieber still und heimlich.
Was sagt eigentlich Ihre Mutter zu Ihrem Buch?
Das hätte ich auch gerne gewusst, aber sie ist vor 13 Jahren einem Krebsleiden erlegen. Der Vater lebt noch, und den kann ich heute auch gut als meinen Vater annehmen.
Und was sagt der Vater?
Er ist sehr stolz auf das, was ich – auch ohne ihn – geschaffen habe: Sowohl im Beruf als auch mit meiner Familie. Gleichzeitig ist er in einer Generation groß geworden, der die systemische Betrachtungsweise von Männerproblemen eher fremd ist.
Und wie müsste ich es jetzt meiner Mutter sagen?
Sie müssen gar nichts sagen. Sie müssen nur selbst Ihre Ordnung finden. Dann regelt sich vieles von selbst. Wir Männer sind doch in der Regel gut vertraut mit dieser Ordnung: bei der Fußball-WM in Brasilien war viel die Rede von Mannschaften, die gut aufgestellt waren. Im Leben ist das nicht anders: Nur wenn ich weiß, wo mein richtiger Platz ist, lebe ich glücklich und gleichzeitig frei. Und genau dieser Platz ist niemals neben meiner Mutter, sondern immer neben meiner Partnerin.
Wie kann ich als Mann im täglichen Leben feststellen, ob ich richtig stehe, frei oder unfrei bin?Unfrei sind Sie, wenn Sie sich täglich überlastet fühlen, wenn Sie an Ihre Partnerin Ansprüche stellen, die ursprünglich Ihre Mutter erfüllen sollte, wenn Sie permanent möchten, dass Ihre Frau stolz auf Sie ist, wenn Sie keine Geheimnisse vor ihr haben, alles erzählen müssen.
Auch, wenn ich auf meine eigenen Kinder eifersüchtig bin?
Ja, das kommt auch vor.
Auch, wenn es mir schwer fällt, den eigenen Vater zu akzeptieren?
Ebenso. Deshalb ist es in meiner Arbeit so wichtig, an den Punkt zu gelangen, an dem man seinen Vater akzeptieren kann, um von ihm Kraft zu erhalten, auch wenn es in der Kindheit nicht so gut gelaufen ist.
Und wie findet man am Ende selbst seine Ordnung?
Ich will niemanden auffordern, auf die eigene Mutter böse zu sein. Vor allem dann nicht, wenn sie sich ein Leben lang um ihr Kind nach bestem Wissen und Gewissen gekümmert hat und jetzt möglicherweise schon älter und krank ist. Es ist allerdings auch nicht gerecht, wenn unsere Partnerin oder unsere Kinder den gesamten Zorn abbekommen. Einmal den Satz "Mutter, ich bin nicht deine Krücke" oder "Mutter, ich stoße dich von meinem Thron" laut vor sich hin zu sagen, das hat schon vielen Männern geholfen.
BUCHTIPP
Was Buben einst zu hören bekamen und was sie später als Erwachsene daraus folgerten – aus dem Buch von Uwe Pettenberg:
Mutter: „Hör doch endlich einmal auf uns!“
Daraus wird der Glaubenssatz: Ich mache es nicht richtig!
Mutter: „Was soll das?“
Glaubenssatz später: Ich muss mich verbiegen!
Mutter: „Du musst ..!“
Glaubenssatz später: Ich bin der Arsch vom Dienst!
Mutter: „Du musst viel Geld verdienen!“
Glaubenssatz später: Geld ist der absolute Mittelpunkt meines Seins!
Mutter: „Du musst dein Studium abschließen!“
Glaubenssatz später: Es ist nie genug!
Mutter: „Du musst dich kümmern. Um alle!“
Glaubenssatz später: Ich alleine muss die Verantwortung tragen!
Mutter: „Du machst das, was wir wollen!“
Glaubenssatz später: Ich muss mich aufgeben!
Mutter: „Dir geht’s zu gut!“
Glaubenssatz später: Wenn ich mache, was mir Spaß macht, kann ich meine Familie nicht ernähren.
Mutter: „Was sollen nur die anderen denken?“
Glaubenssatz später: Ich muss darauf achten, dass ich immer gut dastehe!