Leben/Gesellschaft

Monogamie – wirklich nur ein Mythos?

Pierre hat eigentlich alles. Er ist erfolgreicher Anwalt, liebevoller Vater zweier Kinder und seit 15 Jahren glücklich verheiratet. Im Prinzip ist er mit seinem Leben rundum zufrieden. Nur manchmal, da fehlt etwas. Etwas Aufregendes. Ein Abenteuer. Dann trifft er Elsa, die schöne Autorin, mit der plötzlich alles anders ist – neu und schön und leidenschaftlich.

Was Pierre (François Cluzet) im Film "Ein Augenblick Liebe" (ab 7. August im Kino) mit Elsa (Sophie Marceau) erlebt, könnte sich genau so in jeder österreichischen Familie zutragen. Die Scheidungsrate im Jahr 2013 betrug 40 Prozent. Eindeutige Statistiken über die Trennungsgründe gibt es nicht, es wird jedoch geschätzt, dass jede zweite bis fünfte Beziehung an Untreue scheitert.

Verwunderlich, wenn man eine aktuelle Parship-Studie betrachtet: Demnach ist der größte Wunsch von 84 Prozent der befragten Singles eine fixe, exklusive Partnerschaft. Bei Umfragen zu den gewünschten Eigenschaften des Partners landet Treue regelmäßig unter den Top drei. Warum es trotz romantischer Idealvorstellung vielen so schwer fällt, monogam zu leben, hat die Anthropologin Helen Fisher untersucht. Ihre Theorie: Liebe ist ein Hochgefühl, das so lange anhält, bis die gemeinsamen Kinder vier Jahre alt sind, also die Kleinkindphase beendet ist.

"Serielle Monogamie"

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Diese serielle Monogamie, eine vorübergehende Treue von etwa vier Jahren, kommt auch im Tierreich häufig vor. Wenn überhaupt – denn monogam leben eigentlich nur Vögel, und selbst die nicht ein Leben lang. Bei Säugetieren ist Monogamie die absolute Ausnahme, erklärt Eva Millesi vom Institut für Verhaltensbiologie: "Männchen, die sich mit mehreren Weibchen paaren, vervielfachen ihren Fortpflanzungserfolg. Da der Mensch auch ein Säugetier ist, ist die Basis für ein monogames Leben eigentlich nicht gegeben."

Warum versucht der Mensch dann überhaupt in Zweierbeziehungen zu leben? Warum nimmt er Liebeskummer und Eifersucht in Kauf? Wegen der Brutpflege, sagen Evolutionsbiologen – je aufwendiger sie ist, desto eher leben Tiere monogam. Millesi: "Die Pflege und Erziehung von menschlichen Kindern ist sehr intensiv. Da tut man sich als Paar leichter als alleine." Dass so viele Menschen in der westlichen Welt Monogamie anstreben, hat nicht zuletzt auch mit christlichen Wertvorstellungen zu tun. Gebote wie "Du sollst nicht ehebrechen" trugen schon früh zu dem Glauben bei, dass Treue gottgewollt sei.

Einen Trend zur sogenannten seriellen Monogamie beobachtet auch die Paar- und Sexualtherapeutin Nicole Kienzl. "Die Erwartungen an eine Partnerschaft sind heute sehr hoch. Viele wollen keinen lebenslangen Kompromiss eingehen und beenden die Beziehung."Dennoch: Absolute, lebenslange Monogamie ist gerade für viele junge Paare eine Idealvorstellung. "Wir leben in einer übersexualisierten Gesellschaft. Da wird der Wunsch nach Stabilität wieder wichtiger. Treue ist gerade für junge Paare ein sehr wichtiges Gut", berichtet Kienzl. Außerdem würde die Pornografie dazu beitragen, dass Treue leichter lebbar ist, sagt Kienzl. "So kann jeder seine Fantasien ausleben, ohne den anderen zu betrügen."

Ausnahme

Dass Treue vor allem bei jüngeren Menschen einen hohen Stellenwert hat, zeigt auch eine Parship-Umfrage. 46 Prozent der unter 40-Jährigen gaben an, dass ihnen Treue in einer Partnerschaft am wichtigsten sei. Bei den über 50-Jährigen waren es nur 31 Prozent. "Offene Beziehungen sind nicht die Zukunft", glaubt Kienzl. "Polyamouröse Lieben wird es immer geben – aber sie werden die Ausnahme bleiben."

Wie schwierig es ist, zusammen zu bleiben, musste Sophie Marceau nun auch im wahren Leben feststellen. Im Juli trennte sie sich von ihrem Ehemann Christopher Lambert ("Highlander", "Tarzan"). Ob Untreue im Spiel war, verrät sie nicht. Dafür aber etwas, was so manche Ehe retten könnte: "Wir machen uns über den Job mehr Gedanken als über unsere Beziehungen. Dabei sollten wir gerade an denen arbeiten. Es ist nicht selbstverständlich, einen Partner zu haben."

„Die Entwickler haben einen starken Fokus auf die Einhaltung der Privatsphäre gelegt“, heißt es in der Presseaussendung einer neuen Dating-App. Und weiter: „Es werden keinerlei Spuren auf dem Mobiltelefon hinterlassen.“ Sätze, die zum Fremdgehen geradezu auffordern. Via „I want SXX“ können User Frauen oder Männer in der Nähe finden und sich zum ungezwungenen Tête-à-Tête verabreden – Geheimhaltung und Anonymität inklusive.
Ein Paradies für potenzielle Seitenspringer – genauso wie die Website c-date.at. Das „c“ steht für casual, also locker, und man ahnt schon, was es damit auf sich hat: Erotik ohne Verpflichtung ist das Motto, für Singles – oder Vergebene.

Zunahme

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Mit dem Web sind die Versuchungen für einen Seitensprung extrem gestiegen. Fremdgehen übers Internet geht schnell, einfach und vor allem anonym. Seitensprung-Portale haben sich in den vergangenen Jahren zu einem Geschäftszweig gemausert: Wer zahlt, bekommt absolute Diskretion. Und natürlich ein amouröses Abenteuer.
Es braucht aber nicht unbedingt einschlägige Portale, um untreu zu werden. Oft verleiten schon die herkömmlichen sozialen Netzwerke zu einem Seitensprung. Wer regelmäßig beim Kurznachrichtendienst Twitter postet und sich mit anderen austauscht, ist öfter untreu, so das Ergebnis einer Untersuchung der University of Missouri School of Journalism. Vor allem Männer, bestätigten frühere Studien, würden ihre Gefühle eher über Social Media mit anderen teilen als im realen Leben.
Paartherapeutin Nicole Kienzl glaubt aber nicht, dass sich durch das gehäufte Angebot jeder verführen lässt. „Es hat viel mit der Persönlichkeit zu tun, ob jemand fremdgeht. Wenn jemand von Haus aus ein risikofreudiger Typ ist, können Apps und Websites aber sehr wohl ein Auslöser sein.

Langeweile verhindern

Langeweile im Alltag ist einer der häufigsten Gründe für einen Seitensprung. Damit es gar nicht erst so weit kommt, rät Kienzl zu ständiger Beziehungsarbeit. „Gerade in einem stressigen Alltag mit Kindern und Haushalt sollte man sich bewusst Zeit für einander nehmen, fixe Treffen vereinbaren. Es ist illusorisch, dass man nach einem langen Tag immer noch Lust auf Sex hat.“ Nicht zuletzt sollte man in einer langjährigen Ehe akzeptieren, dass der Sex weniger wird, rät Kienzl. „Dafür hat er dann aber andere Qualitäten.“