Leben/Gesellschaft

Der zweifelhafte Umgang des Menschen mit Tieren

Etwa 57 Prozent der US-Amerikaner würden nicht den Ehemann, nicht die Kinder und auch kein Mobiltelefon auf eine einsame Insel mitnehmen, würden sie denn darauf stranden. Nein: Ihr Haustier müsste mit. So stark die Liebe zu Hund, Katz & Co. auch ist, so häufig werden Nutztiere als Ware wahrgenommen, meinten Experten am Montag beim vom Wissenschaftsministerium veranstalteten "Science Talk". In beiden Fällen leiden die Tiere unter den Menschen.

"Auf der einen Seite sterben jährlich 4,2 Milliarden männliche ,Eintagsküken‘ in Zuchtbetrieben, auf der anderen Seite behandeln wir unsere Haustiere fast wie unsere Kinder ", sagt Herwig Grimm, Philosoph und Ethiker der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni). Der Unterschied zwischen Haus- und Nutztieren sei zwar nicht "krankhaft", müsse aber "diskutiert werden". In der Mensch-Tier-Beziehung zieht das Tier dabei meist den Kürzeren. "Auch Haustiere halten wir uns nicht ganz uneigennützig", sagt Birgit Stetina von der Sigmund Freud Privatuniversität Wien. Die Tiere vermitteln Nähe und bekämpfen die Einsamkeit. Zudem helfen sie als Eisbrecher auf sozialer Ebene. "Beim Gassigehen im Park haben zwei Hundebesitzer gleich ein Thema, worüber sie sich unterhalten können – und zwar ihren Hund", gibt Stetina ein Beispiel.

Der Hund als Kindersatz

Bei manchen Herrchen und Frauchen kompensieren die Vierbeiner den fehlenden Nachwuchs. Deshalb sind Hundenrassen besonders gefragt, deren Aussehen dem Kindchenschema entspricht. Diese Rassen sind oft überzüchtet und machen häufig Probleme, weiß Michael Leschnik von der Vetmeduni: "Die Problemrassen sind meist klein, mit großem Kopf und großen Augen. Auch nach Jahren sind sie lieb und nett anzusehen, leiden aber bereits an Missbildungen der Wirbelsäule und Atemproblemen."

Gesundheitliche Probleme entstehen aber nicht nur durch die Zucht, sondern auch durch überfürsorgliche Besitzer. Zu viele "Leckerlis" schaden dem Haustier mehr, als sie Gutes tun. "Viele Tiere sind doppelt so schwer, wie sie eigentlich sein sollten", sagt Leschnik. In Deutschland leidet die Hälfte der Hunde und Katzen an Übergewicht. "Durch die Belastung bekommen die Tiere Gelenksprobleme und haben eine kürzere Lebensspanne", erklärt der Tierarzt. Häufig habe er schon Fälle erlebt, in denen die Tierbesitzer überhaupt nichts von artgerechter Haltung wussten. "Dann heißt es plötzlich: Der Hund, der spinnt. Bitte geben Sie ihm ein Pulver, dass das aufhört", berichtet Leschnik. Nach einer Beratung stellt sich jedoch heraus: Der Hund verhält sich wie ein Hund. Das entspricht aber nicht immer den menschlichen Erwartungen.

Da hört die Tierliebe auf

Bei all der Nähe zu den eigenen Haustieren verdrängen die Menschen oft, wie es um die Tiere bestellt ist, die tagtäglich auf den Tellern landen. Während man dem eigenen Hund niemals schaden würde, wird vor der Fleischtheke scheinbar alle Tierliebe vergessen. Laut Birgit Stetina liege das vor allem am fehlenden Kontakt mit den Nutztieren: "Im Geschäft sehe ich nur das verpackte Fleisch und nicht das Tier dahinter." Deshalb sei es wichtig, sich über Haltung und Herkunft zu informieren.