Leben/Gesellschaft

Parodie-Account entlarvt Rollenklischees

"Eine erfolgreiche Karriere, wohlerzogene Kinder und tolle Haare! Wie macht er das nur?" Irritiert Sie dieser Satz auch? Irgendetwas an ihm klingt seltsam, passt nicht ins Bild. Richtig – es ist das männliche Personalpronomen. Normalerweise fallen solche Sätze nämlich nur, wenn es um Frauen bzw. Mütter geht.

Wie sehr wir zum Teil in unseren Rollenbildern feststecken, beweist seit einigen Monaten der "Man who has it all", also der "Mann, der alles hat" auf seinen satirischen Twitter- und Facebook-Accounts. Seine wahre Identität hält er – oder sie? – geheim, fix ist nur: Mit seinen humorigen Sprüchen hat der virtuelle Working Dad einen Nerv getroffen. "Top-Tipps für Männer, die eine erfolgreiche Karriere und Vaterschaft unter einen Hut bringen", steht in seiner Twitter-Kurz-Biografie.

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Das Prinzip ist einfach: Aussagen, die normalerweise an Frauen gerichtet werden, dreht er um – und entlarvt auf diese Weise gnadenlos die Klischees, mit denen wir im Alltag um uns werfen. So schreibt er etwa: "An alle Männer! Habt keine Angst, dass ihr wegen eures Geschlechts benachteiligt werdet. Du kannst ein Mann sein und Erfolg haben." Oder: "Jungvater? Es gibt viele Wege, die Mutter in das Leben der Kinder zu integrieren. Es ist deine Aufgabe, sie dazu zu ermutigen." Schon 110.000 Menschen haben den Parodie-Papa auf Twitter abonniert, 43.000 "liken" ihn auf Facebook.

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Rollen verschwimmen

Gegenwärtig kann in Österreich von einer Umkehr der Rollenbilder noch keine Rede sein, zeigte der OECD-Bericht im Juli 2015. Fazit der Studie: Die Aufteilung der Aufgaben im Arbeits- und Familienleben ist stark nach Geschlechtern getrennt. 85 Prozent der Männer arbeiten Vollzeit, jedoch nur 50 Prozent der Frauen. Die Geburt eines Kindes löst bei vielen Frauen nach wie vor einen Karriereknick aus.

Geht es nach dem deutschen Zukunftsinstitut, könnte sich das schon bald ändern. In der Mode(l)branche sind verschwimmende Geschlechtergrenzen längst ein Trend – in Zukunft könnten sich Rollenbilder auch in den Familien auflösen. "Das Geschlecht verliert an gesellschaftlicher Verbindlichkeit", heißt es in der soeben veröffentlichten Studie "Gender Shift". Im schwedischen Wörterbuch etwa findet man es seit Kurzem ein geschlechtsneutrales Pronomen (siehe unten). "Es tut sich was in der Rollenverteilung", beobachtet Verena Muntschick, Co-Autorin. "Im Arbeitsleben, aber auch innerhalb der Familie."

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Generationen-Clash

So sei es für immer mehr (junge) Männer selbstverständlich, in Karenz zu gehen oder die Hälfte der Haushaltspflichten zu übernehmen. "Nach der Emanzipation der Frau hatten viele Männer Angst. Jetzt sehen sie die Vorteile, die sie dadurch haben", erklärt Muntschick. Etwa, Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können.

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Ein Privileg, das Männer, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg geboren wurden, nicht kannten. Laut einer Studie von Ernst & Young sind die meisten Führungskräfte in den USA in diesem Alter. In den Unternehmen wird die Kluft zwischen den Generationen sichtbar: "Ein Viertel dieser Chefs wird zuhause rundumversorgt von einer Ehefrau, die sich ausschließlich um Haushalt und Kinder kümmert", heißt es darin. Ganz anders sieht es bei ihren jungen Mitarbeitern aus: 80 Prozent der Angestellten unter 30 sind demnach Teil eines Paares, in dem beide Partner Vollzeit arbeiten. Klingt, als wären die Sprüche des "Man who has it all" schon bald keine launige Parodie mehr – sondern Realität.

Es hat nur drei Buchstaben – dennoch sorgte das Wort im liberalen Schweden für Aufregung. 2012 tauchte "hen" erstmals in einem geschlechtsneutral geschriebenem Kinderbuch auf. Es beschreibt eine transsexuelle Person oder wird verwendet, wenn das Geschlecht egal oder unbekannt ist. Vor einem Jahr wurde es offiziell in die "Svenska Akademiens ordlista", das Standardwörterbuch der Schwedischen Sprache, aufgenommen.

Im deutschsprachigen Raum ist ein geschlechtsneutrales Fürwort bisher kein Thema. Wenn es nach Lann Hornscheidt geht, sollte sich das aber ändern. Hornscheidt lehrt Gender Studies und Sprachanalyse an der Berliner Humboldt-Universität – und schlug 2014 vor, Endungen auf "x" im Deutschen einzuführen, um geschlechtsneutrale Substantive zu schaffen. Sie fing gleich beim eigenen Titel an – statt Professorin Lann Hornscheidt heißt es nun Professorx Lann Hornscheidt.

Offizielle Angabe

Einen Vorstoß, wenn auch nicht in der Sprache, aber dafür in ihren offiziellen Dokumenten, wagten auch Australien, Neuseeland und zuletzt Nepal. Dort kann seit 2014 neben dem weiblichen und männlichen Geschlecht ein neutrales angegeben werden. Menschen, die mit Merkmalen beider Geschlechter auf die Welt kommen, dürfen "unbestimmt" schreiben. Dies entschied ein Gericht und erkannte damit an, "dass ein Mensch weder männlich noch weiblich sein kann". Auch Nepalesen können, zum Beispiel in Reisepässen, ein O – für "other", also "andere" – angeben.

Was in anderen Ländern aber nach wie vor vielen Menschen offiziell versagt bleibt, funktioniert zumindest auf Facebook. Im sozialen Netzwerk können Nutzer ihr Geschlecht mit "Inter*" oder "transsexuell" angeben.

Sandra Lumetsberger