Mama, für dich: Ode an das selbst gebastelte Geschenk
Von Gabriele Kuhn
Rosen für die Mutti? Fix nicht! Das müssen sich die Erfinder des Dinkelspelzkissens mit der Aufschrift „Gott schütze Mamas Nacken“ wohl gedacht haben – immerhin rangiert es bei einer großen Online-Geschenke-Plattform derzeit auf Platz 1 der Top-of-Muttertags-Präsente. Für Mami nur das Beste.
Was aber genau ist das? Ein online mit der Kreditkarte von Papa geordertes Nackenhörnchen, das eigentlich die Idee von der Schwiemu war, weil die es bei ihrer Freundin auf dem Fernsehsessel herumkugeln sah? Oder doch etwa selbst gebasteltes? Von Herzen – und aus Kinderhand, allenfalls entstanden unter dem Kreativ-Imperativ einer Kindergartenpädagogin oder Volksschullehrerin. Wie auch immer: Diese Dinger sind wie Knossos, Pompeji oder das Forum Romanum: Sie halten nicht ewig, man darf sie trotzdem nie wegschmeißen.
Ein Krug für Mutti
Mein Sohn ist jetzt 30 Jahre alt, doch ich bin immer noch in Besitz jenes Werkstücks, das mir in seiner Volksschulzeit mit glühendem Blick als „Wasserkrug für die gute Mutter“ in die Hand gedrückt wurde.
Noch heute befülle ich ihn mit Bedacht und unter Verwendung einer Schüssel, in die ich den Krug platziere. Er war von Anfang an undicht. Ein Riss im Schaffensprozess, den mir die krugmitverantwortliche Pädagogin beim Elternsprechtag zur Causa „Benehmen in der Handarbeitsstunde“ so erklärte: „Ihr Sohn agiert handwerklich recht eigenwillig.“ Auf das Muttertagspräsent hinweisend, kicherte sie und sagte: „Aber gell, der Willi geht vors Werk.“ Worauf ich meinte, dass mein Sohn nicht Willi, sondern Stefan hieße, aber egal. Tage später geriet ich in ein Volksschulmütter-Trio, das perfekt ins Format „Austrias Next Nachwuchs-Tonkrugformer“ gepasst hätte. So sehr übertrafen sich die Mamas im Lobpreisen des Talents ihrer Kinder, in dem sich schon jetzt eine Karriere als freischaffender Künstler mit Innenstadtatelier abzeichnen würde. Heute weiß ich: Kind 1 strebt eine Pathologenkarriere an. Kind 2 ist Versicherungsmathematiker. Und Kind 3 ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten.
Gerne lese ich daher jenen Aufsatz nach, der mir eines Tages vom Nachwuchs mit den Worten „Lies mal!“ überreicht wurde – nicht ganz, aber fast ein Muttertagsgeschenk. Darin beschrieb der Neunjährige einen fiktiven Familien-Tagesausflug auf die „Hohe Wand“. Idylle pur. Bis auf das Ende, das so lautete: „Wir sahen, wie ein Mann die Wand hinunterfiel und tot war. Dann fuhren wir nach Hause und tranken eine Tasse Tee.“ Damals erwartete ich sekündlich den Anruf des Schulpsychologen, der mir tief in die Augen schauen und mich fragen würde: „Fühlen Sie sich als Alleinerzieherin eigentlich überfordert?“ Nichts passierte, außer, dass dieses wunderbare Kind zu einem wunderbaren Mann heranwuchs, der unglaublich lustig sein kann.
Die Mundmaler
Was mich zu den Herzen führt, das Lieblings-Muttertagsmotiv der Tochter. Erst vor Kurzem ist sie 18 Jahre alt geworden. Das erste Muttertagsbild, das sie in der Kindergruppe produziert hatte, malte sie mit dem Mund. Das war damals offenbar total angesagt, überall liefen Mütter herum, die total gerührt juchzten: „Hast! Du! auch! schon! dieses mit! dem! Mund! gemalte! Bild! daheim?“ Dann wurde bei Bergkräutertee darüber diskutiert, ob man nicht eine kleine Kindermundmalgalerie eröffnen solle. Mir egal, wesentlicher war, dass ich in jedem Klecks ein Herz erkannte. Kein Wunder, bei diesem Wunder-Kind. Das Bild hängt heute noch. Im Laufe der Zeit wurden die Herzen konkreter. Eines fand sich etwa auf einem Muttertags-Anhänger aus Ton wieder. Der hätte laut Volksschullehrerin wunderbar auf eine Kette gepasst, allerdings nur unter Assistenz eines „Gott schütze Muttis-Nacken“-Dinkelspelzkissens oder Chiropraktikers. Deshalb liegt es, das Herz – seit 12 Jahren auf der Kommode im Schlafzimmer.
Womit wir zum Muttertagspolster kommen. Ein legendäres Stickwerk, von dem ich leider nicht mehr so genau weiß, wer’s war. Der 30-Jährige oder die 18-Jährige? Zugegeben, es gibt schönere Polster. Als ich die beiden Kinder fragte, ob es ihnen was ausmachen würde, wenn ich ..., konnte ich gar nicht zu Ende reden: Empörung. Geht’s noch, Mutter?
Sorry, Kinder! Also werde ich auch die nächsten zwanzig Jahre jedes einzelne Muttertags-Bastelstück jede Woche abstauben, mich erinnern und die Liebe dabei spüren.
Danke für alles.