Leben/Gesellschaft

Mädeln am rechten Rand

Mit dem Schritt in das Studentenleben beginnt ein aufregender Lebensabschnitt. Warum also nicht Hilfe beim Eingewöhnen annehmen, wie es die akademische Mädelschaft "Iduna zu Linz" Erstsemesterinnen im Herbst mit einem Inserat auf ihrer Facebookseite angeboten hat. Auf den ersten Blick wirkt Iduna wie eine gewöhnliche Gruppe von Studentinnen, die sich zu Literaturabenden und Stammtischen trifft und gegenseitig beim Studium unterstützt.

Sieht man sich die Internetpräsenz der Iduna jedoch genauer an, wirft unter anderem deren Faible für altgermanische Bräuche wie das Feiern der Sommer- und Wintersonnenwende mit einem Lagerfeuer Fragen auf. Die Wintersonnenwende ist Anlass für das germanische Julfest, das die Nationalsozialisten statt des christlichen Weihnachtsfestes zu etablieren versucht haben.

Offene Fragen

Es ist nicht der einzige einschlägige Code, den die Iduna aussendet. Auf ihrer Website ist die Kornblume zu sehen, als eine ihrer Farben wird "Kornblumenblau" genannt. Diese würde für Freiheit und Freundschaft stehen. Die Pflanze war jedoch auch ein Symbol der antisemitischen Schönerer-Bewegung und diente den illegalen Nazis in den Dreißigerjahren als Erkennungszeichen.

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Judith Goetz ist Mitglied der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit

Es gibt sechs weitere Mädelschaften in Österreich, die deutschnationale und völkische Inhalte verbreiten, weiß Politikwissenschaftlerin Judith Goetz. Wie viele Mitglieder sie genau zählen, sei schwer zu sagen. Denn handfeste Informationen will die Iduna nicht preisgeben. Fotos, auf denen die Gesichter der Mädelschafterinnen erkennbar sind, sucht man vergeblich. Eine Anfrage des KURIER zu ihrer politischen Verortung und verwendeten Symboliken blieb unbeantwortet. Seit wenigen Tagen ist außerdem der Instagram-Account der Iduna nicht mehr auffindbar.* Auch die Auftritte der akademischen Mädelschaft Freya, deren Mitglieder sich laut Website "als Deutsche in Österreich" verstehen, sind plötzlich aus den sozialen Medien verschwunden. Bis vor Kurzem gab es dort noch Postings, in denen "Couleur statt Kopftuch" skandiert wurde.

Historische Entwicklung

Generell sind in Österreich ungefähr 30 Damen- oder Studentinnenverbindungen registriert, wobei diese Überbegriffe unabhängig von der politisch ideologischen Ausrichtung sind.

Entstanden sind die Bünde parallel zur Zulassung von Frauen an den deutschen und österreichischen Universitäten Anfang des 20. Jahrhunderts. Die große Mehrheit der heute bestehenden Verbindungen ist christlich oder anders konfessionell orientiert.

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Vorbilder für die deutschnationalen Mädelschaften waren die Burschenschaften, von denen sie unter anderem die strikte Geschlechtertrennung oder das Prinzip des Lebensbundes übernommen haben. Nur Mensuren, die in den Burschenschaften für den Aufstieg nötig sind, dürfen Mädelschafterinnen nicht fechten. Denn nach der Ideologie der Burschenschaften haben Frauen keine Ehre, die sie verteidigen könnten, erklärt Goetz. Den Aufstieg von der Fäh zum Mädel und zur Hohen Dame schafft man durch den Studienerfolg und Prüfungen. (Äquvivalent zu Fuchs, Bursche, Alter Herr)

Medial wurden Mädelschaften bislang kaum beachtet. Das liegt laut Goetz unter anderem daran, dass Frauen viel weniger gefährlich wahrgenommen werden als Männer. "Zwar gab es vereinzelt Artikel über Mädelschafterinnen, zumeist waren diese aber eher belustigend." Formulierungen wie "die einzigen spitzen Gegenstände, die sie in die Hand nehmen, sind Stricknadeln", seien laut Goetz sexistisch und verharmlosend. Die Anwärterinnen stoßen sich nicht daran, dass Frauen und Männer nicht gleichgestellt sind. "Es ist möglich, eine Karriere zu verfolgen, man kann sich aber auch für einen Lebensentwurf entscheiden, in dem es einen männlichen Familienernährer gibt und man zu Hause bei den Kindern bleibt, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen", sagt Goetz.

"So zu tun, als wären rechte Frauen diese völkischen Hausfrauen und Mütter mit langen Kleidern und blonden Zöpfen, ist nicht zeitgemäß." (Judith Goetz, Politikwissenschaftlerin)


Selbsterhöhung

Vor allem der elitäre Charakter von Verbindungen lockt die Frauen in die Buden. Auch eigene Diskriminierungserfahrung spielen laut Goetz eine Rolle. Frauen die selbst benachteiligt werden, suchen sich andere, die sie diskriminieren können um sich selbst aufzuwerten.

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Das Klischee vom rechten Heimchen am Herd hält Goetz für passé. "So zu tun, als wären rechte Frauen diese völkischen Hausfrauen und Mütter mit langen Kleidern und blonden Zöpfen, ist nicht zeitgemäß. Man braucht sich ja europaweit nur Frauen wie Marine Le Pen oder Alice Weidel in rechtsextremen Parteien ansehen." Das zunehmende Interesse von Frauen, sich in diesem Spektrum zu engagieren, beweisen drei Neugründungen von Mädelschaften in den vergangenen sieben Jahren. Deren Einfluss hält Goetz zwar noch immer für relativ gering, gibt aber zu bedenken, dass Anneliese Kitzmüller, Vize-Obfrau der Iduna, ehemalige FPÖ-Familiensprecherin und jetzige Dritte Nationalratspräsidentin, das Regierungsprogramm mitausverhandelt hat. "Daran, dass da drinnen steht, dass Familie nur als Mann und Frau mit einem gemeinsamen Kind definiert wird, zeigt sich die Bedeutung dieser Ideologie, der durch die Regierungsbeteiligung der FPÖ Breitenwirksamkeit zukommt."

* Nachtrag: Der Account war mehrere Tage lang inaktiv und ist mittlerweile wieder online

Hysteria: Burschenschaft für das "goldene Matriarchat"

Als Burschenschaft der etwas anderen Art lässt sich die Burschenschaft Hysteria wohl noch am ehesten beschreiben. Sie selbst bezeichnet sich auf Facebook als Urburschenschaft, bei der jedoch nur Frauen aufgenommen werden. Zu ihren Forderungen zählen beispielsweise die drastische Beschneidung der Rechte von Männern, wie der Entzug des Wahlrechts, aktiver Vaterlandsverrat und die Herstellung eines uneingeschränkten "goldenen Matriarchats". Ihre Statuten, Pflichten und ihr Burschenschaftslied sind in dem Buch "Mein Mampf" festgeschrieben. Die Mitglieder der Hysteria tragen in der Regel Wichs – die traditionelle burschenschaftliche Kleidung. Aufgrund dieser Gegebenheiten wird die Hysteria in Berichten immer wieder als feministsches Kunst- oder Satireprojekt bezeichnet. Tatsächlich ist die Hysteria aber im Vereinsregister als Burschenschaft eingetragen.

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Aktionistische Burschen

Zum ersten Mal im Netz tauchte die Hysteria im April 2016 auf Facebook auf. Mit der Information "Bruder Sargnagel wurde geblockt" rief die Burschenschaft dazu auf, jenes Facebook-Posting der Künstlerin Stefanie Sargnagel zu teilen, das ihr eine temporäre Sperre auf der Plattform eingehandelt hatte. Seither zieht die Hysteria mit diversen Aktionen die Aufmerksamkeit auf sich. Im Jahr 2017 gelang es ihr etwa, ihre Flagge auf dem Wiener Akademikerball zu hissen, in den sozialen Medien benannte sie diesen daraufhin in den "Männerschutzball" um. Im Jänner marschierten rund 700 Teilnehmerinnen beim "Kameradschaftsmarsch" gegen das Patriarchat durch die Wiener Innenstadt.