Leben/Gesellschaft

Klimawandel: Kuckuck ist der Verlierer

Der Kuckuck ist ein schräger Vogel. Mitte April kommt er aus dem fernen Süden angeflogen. Etwa 50 Kilometer pro Nacht. In Summe hat er bis zu 10.000 Kilometer zurückgelegt, wenn er aus heimischen Wäldern ruft und nach einer Bleibe für sich und ein fremdes Nest für seinen Nachwuchs sucht.

Das Glück ist dem Glücksbringer bisher hold. Dank seiner raffinierten Überlebenstricks gilt "Cuculus canorus" – im Gegensatz zu vielen anderen Langstreckenzieher – derzeit eher als Profiteur des Klimawandels. Die steigenden Temperaturen und die damit einhergehenden Veränderungen von Lebensraum und Nahrungsangebot machen dem Brutparasiten nur mancher Orts zu schaffen. Das zeigt eine Metaanalyse, die im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde.

Gewinner und Verlierer der Erderwärmung

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"Insgesamt sind in Österreich 450 Vogelarten nachgewiesen, davon 220 sind Brutvögel. Für 80 Arten gab es genügend Daten, die sind in der Studie drin", sagt Co-Autor Norbert Teufelbauer von Birdlife Österreich. Die Vogelschutzorganisation erfasst seit Jahrzehnten die Bestände der heimischen Überflieger, die Ergebnisse fließen in ein europäisches Programm zur Bestandsüberwachung. Eine vergleichbare Initiative gibt es in den USA. Nun haben Wissenschaftler unter der Leitung von Philip Stephens von der Durham University/GB die Verbreitungsdaten von 145 europäischen und 380 nordamerikanischen Arten zwischen 1980 und 2010 zusammengetragen und mit Klimadaten in Zusammenhang gebracht. Prognosen wurden überprüft. Herausgekommen sind die gefiederten Gewinner und die Verlierer der Erderwärmung.

"Der Kuckuck ist in 14 europäischen Staaten als Klimagewinner eingestuft; in sechs als Verlierer"


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"Der Kuckuck ist in 14 europäischen Staaten als Klimagewinner eingestuft, darunter auch in Österreich; in sechs als Verlierer", sagt der Ornithologe. Auch beim Star, der Türkentaube und der Nachtigall wurde eine deutliche Zunahme der Bestände vorhergesagt – und registriert. Auf der anderen Seite stellten sich ebenso Befürchtungen als begründet heraus: Die Zahlen bei Fitis, Wintergoldhähnchen und Wacholderdrossel sind tatsächlich zurückgegangen.

"Die Studie liefert klar messbare Ergebnisse für zwei Subkontinente der Nordhemisphäre. Dabei wurden regionale Effekte berücksichtigt", sagt Teufelbauer. So zeigt sich am Beispiel des Zaunkönigs, dass sich der Anstieg der Temperatur bei ein und der selben Art regional sehr unterschiedlich auswirken kann: In nördlichen Regionen, in denen die Winter milder werden, wird der Chor der Sänger lauter, den heißen, trockenen Süden Europas dagegen meiden die kleinen Vögel zunehmend.

Ankunft der Zugvögel verzögert sich

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"Jede Art ist an eine bestimmte ökologische Nische angepasst", sagt der Vogelkundler. In ihrer angestammten Welt finden Alpenschneehuhn bis Weißstorch Partner, optimale Brutbedingungen, ausreichend Futter und eine Temperatur vor, die ihnen angenehm ist. Das ändert sich gerade. In Zukunft könnte die Erwärmung etwa zwitschernde Bergbewohner näher Richtung Gipfel treiben, irgendwann ist Ende der Fahnenstange. Da nützt selbst die Mobilität der Vögel nichts. Bäume, die den Berg hinauf rücken, werden erst in Jahrzehnten zum Lebensraum Wald. Für Langstreckenzieher verlängert sich die Reise, Sahara und Sahelzone dehnen sich aus. Die Ankunft der Zugvögel verzögert sich. Gleichklang wird unstimmig.

"Nicht alle Arten können sich anpassen, manche brauchen ein paar Generationen, andere Jahrhunderte"


"Nicht alle Arten können sich anpassen, manche brauchen ein paar Generationen, andere Jahrhunderte", sagt Teufelbauer. Doch nicht nur der Klimawandel stört das Gleichgewicht im Ökosystem. Auch die verstärkte Landnutzung durch z.B. Verbauung oder Düngung bringt Arten in Bedrängnis. Der Kuckuck zieht alle Register: Landet die Rabenmutter mit Verspätung, schmeißt sie das ganze Gelege der Wirtin aus dem Nest und zwingt sie so zur neuerlichen Eiablage. Die Überlebenschancen stehen trotzdem nicht zum Besten.

Zum Kuckuck

Denn das Schritthalten im evolutionären Wettrüsten gestaltet sich für den Brutparasiten immer schwieriger.

„Der Langstrecken-Zug des Kuckucks und die absolute Abhängigkeit bezüglich Fortpflanzung von anderen Vogelarten sind Gründe, warum der Kuckuck zu den Verlierern des Klimawandels zählt“, meint Wolfgang Vogl von der Österreichischen Vogelwarte/VetmedUni Wien. Wirtsarten, die im Brutgebiet bleiben oder nur kurze Strecken ziehen, beginnen heute bis zu 20 Tage früher zu brüten als vor 40 Jahren, der Kuckuck kehrt aber erst wie gewohnt im April zurück. Er verpasst die Brutanfänge geeigneter Wirte. Oft muss er auf andere Arten ausweichen, die Konkurrenz nimmt zu, ebenso die Gefahr, dass das Kuckucksei enttarnt wird. Die Zukunft des schrägen Vogels sieht nicht rosig aus.