Kiku

Jugendlicher verwirklichte seinen Traum: Schauspieler

Mit dem Rücken zum Publikum, obwohl groß und kräftig, doch wie eine Art Häuflein Elend da sitzend. Unbewegt. Lange. Am Beginn. Meeresrauschen. Blaulicht. Mit dem Ende beginnt "Arabboy". Mit diesem Gastspiel aus Berlin-Neukölln wurde zum Nationalfeiertag die Projektreihe "PIMP MY INTEGRATION" in der Garage X eröffnet.
Rashid, exzellent gespielt vom erst 21-jährigen Autodidakten Hüseyin Ekici, wächst als ziemlich perspektivloser Jugendlicher in Neukölln auf. Vorübergehend macht er "Karriere" als Unterläufel eines Ganovenkönigs im Viertel der "Rollbergsiedlung". Nach oben buckeln und nach unten treten ist die Devise. Unter dieses Motto fallen auch die (Ver-)Gewalt(igungs)-Videos, die Rashid unter dem Nickname Arabboy 44 online stellt.

Vielseitige Schauspieler_innen

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Beim Oberboss in Ungnade gefallen, verliert er auch die Aussicht auf die kriminelle Laufbahn, landet dafür im Gefängnis. Behörden - und Familie - beschließen ihn, der in Berlin geboren wurde und hier sein ganzes Leben verbracht hat, "nach Hause" abzuschieben, noch dazu in die Türkei zu den Großeltern, obwohl die Eltern Kurden aus dem Libanon sind. Und Rashid gar nicht Türkisch kann. Weswegen er von dort per Boot übers Meer nach Griechenland zu flüchten versucht, um über die EU in seine Heimat kommen zu können. Was - wie zu erwarten, schief geht.
Inka Löwendorf und Sinan Al-Kuri sind kongeniale Partner_innen Ekicis, egal in welcher der vielen Rollen, in die sie schlüpfen. Vom Mitkumpel "Kartoffel" im Kiez über Rashids Mutter oder Mitschülerin Lea, bei deren anbaggern Rashid zum ersten - und einzigen - Mal aus seiner gewalttätigen Rolle und Sprache raustritt ist Löwendorf so vielseitig wie Al-Kuri als Vater, Ober-checker der illegalen Geschäfte und dritter im Bunde des Jung-Macho-Trios im Kiez.

Klischee-Sammelsurium

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So genial die drei auch spielen, das Stück transportiert eine Ansammlung von Klischees an negativen Eigenschaften und Sprüchen Jugendlicher aus Familien mit dem was in der Debatte seit geraumer Zeit "Migrationshintergrund" genannt wird. "Aber so läuft das Leben in Neukölln", meinte der aus diesem Berliner Stadtteil stammende Rashid-Darsteller zum Online-KiKu. "Neukölln bietet Jugendlichen keine Perspektive, selbst die meisten Jugendzentren wurden zugesperrt…", schildert Hüseyin Ekici. "Aber wenigstens ein Positiv-Beispiel, von denen muss es doch auch welche geben oder irgendwo einen Bruch dieser Ansammlung der zwar supertoll gespielten aber nur Negativ-Bilder", wünscht sich der Kritiker. Und es gibt solche. Ekici selbst ist dafür das beste Beispiel.

Traumberuf verwirklicht

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"Schon als Kind wollte ich Schauspieler werden. Mein Vorbild ist Yilmaz Güney. Als ich 16 war, hat mir meine Mutter in den A… getreten und gesagt: Wenn du das werden willst, dann musst du selbst auch was dafür machen. Das hab ich dann." Begonnen als Komparse bei diversen Filmen, sich autodidaktisch viel beigebracht, spielt Ekici auf Profi-Theaterbühnen und mittlerweile auch in TV-Serien wie der Lindenstraße. "Aber am Anfang wurde ich immer als türkischer Krimineller oder so besetzt.". Aber auch das gelang ihm - durchs offene Ansprechen zu verändern. "Heute werde ich auch schon in anderen Rollen besetzt."
Mehr Ekicis als Vorbilder!

Infos

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Arabboy oder das kurze Leben des Rashid A.
Nach dem Roman von Güner Yasemin Balcı

Eine Produktion von Heimathafen Neukölln

Inszenierung/Textfassung: Nicole Oder

Es spielen
Hüseyin Ekici
Inka Löwendorf
Sinan Al-Kuri

Wer ist wir?

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Zum Auftakt des Programmschwerpunkts fand am Nationalfeiertag selbst eine Diskussion unter dem Titel "WER IST WIR?" im Theatersaaal statt. Ednan Aslan (islamischer Religionspädagoge), Georg Kraft-Kinz (Vorstandsdirektor der RLB NÖ-Wien und Vorstand im Verein Wirtschaft für Integration), Olivera Stajic (Redaktionsleiterin dastandard.at), Sabine Strasser (Kultur- und Sozial-Anthropologin) und Erol Yildiz (Migrationsforscher) eröffneten mit ihren Statements am Podium verschiedene Blickwinkel sowohl auf das Thema Migration als auch auf das doch teilsrecht eigenartig konstruierte "Wir" und "ihr". Zugewanderte Engländer, die nicht mit dem Etikett Migrant, Angehörige der vierten Generation einstmals zugewanderter Türken, die sehr wohl noch immer damit punziert werden - war einer der Gesichtspunkte. Ebenso wie der von "Rückkehrern" wie im Stück Arabboy für Menschen, die nie dort gelebt haben wohin sie angeblich "zurückkehren" sollen.
Neben dem Konstatieren von Rückschlägen und noch weiten Wegen, die bis zum ziel eines normalen Miteinanders zu gehen sind, wurde aber auch dem stärkeren Hervorheben der vielen gelungenen, positiven Beispiele das Wort geredet.