Kiku

Ein Stück Politik - mit einem Schuss Spaß

Die heutige Jugend ist unpolitisch... – wer nicht an diesem Vorurteil festhalten möchte oder auf der Suche nach Hoffnung ist, kann derzeit (Ende März/Anfang April 2016) in den Dschungel Wien gehen und sich das nicht ganz einstündige Stück „Spaß-Guerilla“ anschauen. Gespielt – und großteils auch verfasst von elf jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen (15 bis 23 Jahre).

System entzaubert

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In chorischen Szenen zählen die elf Bühnen-Aktivist_innen, die weniger spielen, als eher authentisch darstellen, präsentierten, aufzeigen, rausschreien, wie es ihnen und vielen Altersgenoss_inen geht, zwischen welchen Mühlsteinen sie zerrieben zu werden drohen. Ehrgeizig, zielstrebig, aber auch teamfähig und noch mindestens ein Dutzend weiterer Eigenschaften sollen sie perfekt verkörpern. Im Prinzip ginge es aber, so ihre aufdeckerischen Erkenntnisse, doch lediglich darum, dass sie bestmöglich funktionierende Rädchen des kapitalistischen Systems sein müssen oder werden sollen, das sich um Konsumieren auf der einen und profitieren auf der anderen Seite dreht.

Ent-Solidarisierung

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Zum Rädchen-Dasein und Funktionieren gehöre aber auch möglichst starke Ellbogentechnik, sich selbst in den Fokus zu rücken und andere zu verdrängen – in einer Szene plastisch dargestellt, in dem der eine die andere und so weiter aus dem hell erleuchteten Spot drängt, stößt, kippt. Der immer stärkere Drang zur (medialen) Selbstdarstellung wird in dem Gedanken auf den Punkt gebracht: Lieber Frühstücksfotos zu posten als gemeinsam zu frühstücken.

Protest

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Das Stück, das in einem mehrmonatigen Prozess der elf Protagonist_innen mit drei Profis aus oder rund um den Dschungel Wien entstanden ist, wollte nicht bei der düsteren Zustands-Beschreibung stehen bleiben. Allen Beteiligten war von Anfang an wichtig, Widerstand, Auflehnung, Aufbegehren, Protest zur Sprache zu bringen, einzubauen, auszuüben. Hin und wieder werden Transparente an den Bühnenrändern enthüllt. Dabei blieb’s nicht.

In der Phase der Arbeit am Stück stieß die Crew auf theatrale, auch humorvolle Formen öffentlichen Protests, eben die Spaß-Guerilla, ob es pazifistische Aktionen diverser Clowns-Armys oder andere waren. Die Gruppe entwickelte eigene Aktionen, beispielsweise eine Art paradoxe Intervention im öffentlichen Raum in Form eines Work-Outs zur Ertüchtigung des eigenen Ellenbogen-Einsatzes usw. Eine solche wird als Video eingespielt. Ein wenig mehr von diesem Spaß hätte sich auch auf der Bühne gut getan, wenngleich es doch eine sehr witzige Szene gibt, wenn alle Bananen für unterschiedlichste Zwecke einsetzen.

Bananen

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Das ergibt sich aus einem umfangreichen „Medikament“, das sich die Crew zusammen gedichtet hat. Einige der Wirkungen beschreiben sie so: Egoismus-senkend, einheitsfördernd, kreativ, subversiv, unterdrückungshemmend, aktionssteigernd, aufklärerisch... „auf jeden Fall Banane“.

Und die Zutaten?

50 mg Mut, 100 mg Motivation, 150 mg Adrenalin, 300 mg Soli-dari-tät, 10 mg Wut?, 50 mg Kampfgeist, 70 mg Menschenverstand?, 100 mg Leidenschaft, 100 mg Fantasie, 30 mg Ausdauer und nicht zuletzt 500 mg Humor.

Und damit die Zuschauer_innen auch noch was mitnehmen können, erwartet sie im Foyer ein Transparent: Nicht zuschauen. Handeln!

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Spaß-GuerillaDschungel WienPerformance mit Tanz und Videoab 14 Jahren; ca. 50 Minuten

Konzept, künstlerische Leitung: Julia Perschon Text, Spiel: Mona Abdel-Baky, Bagher Ahmadi, Zulla Ahmetović, Adil Embaby, Veronika Ficek, Nicolas Lugstein, Ayla Mandoj, Agnes Pauer, Sofie Semrau, Jasmin Steffl, Maximilian Thienen-Adlerflycht

Choreografie: Rino Indiono

Künstlerische Mitarbeit: Ulla Steyrleuthner Video: Christiana Perschon Grafik: Ani Antonova Licht: Alexander Suchy

Wann & wo? 30. März bis 1. April Dschungel Wien 1070, MuseumsQuartier Telefon: (01) 522 07 20-20www.dschungelwien.at