Kurze Sackgasse: 120 (!) Menschen von den Nazis vertrieben
Von Heinz Wagner
Sonntag Abend knapp nach Eröffnung der jüdischen Kulturwochen im Arkadenhof des Wiener Rathauses kamen an die 80 Menschen in der kleinen Sackgasse Baumannstraße in Wien-Landstraße zusammen. Wenige Tage zuvor waren Steine des Gedenkens an die hier 1938 vertriebenen Jüdinnen und Juden in die Gehsteige eingelassen worden. Bei einem Rundgang wurden alle Namen verlesen – 120! Aus sechs Häusern. Die meisten wurden in Vernichtungslagern der Nazis ermordet, einigen gelang die Flucht, nachdem ihnen praktisch all ihr Hab und Gut von den Herrschenden abgenommen worden war. In der Nazizeit wurde die nach dem Afrikaforscher Oscar Baumann benannte Gasse übrigens umbenannt – nach dem Musikus in der Tradition der Blut- und Boden-Dichter Adolf Kirchl. 1947 erhielt sie ihren alten Namen, allerdings nicht wieder die Büste Baumanns, es prangt noch immer die von Kirchl an einem Eckhaus zur Beatrixgasse.
Zweisprachiges Totengebet
Starkes Zeichen
Ein Hoppla samt Verbeugung – das bewirken quer in der Stadt vor vielen Häusern in den Gehsteig eingelassene gold glänzende viereckige Tafeln – Steine des Gedenkens. Sie wollen ein gedankliches Stolpern samt zumindest kurzem Innehalten bewirken. Obendrein ergibt sich durch das folgende genauere Hinsehen und Lesen oft auch eine Haltung der Verbeugung, Verneigung - vor den Opfern, eine Erinnerung statt sie dem Vergessen anheim fallen zu lassen.
Die Steine des Gedenkens erinnern daran, dass aus eben dem Haus vor dem sie verankert wurden so und so viele Menschen nach 1938 vertreiben wurden. Die herrschenden Nazis wollten sie los werden – die meisten kamen in Konzentrations- und Vernichtungslager, manchen gelang die Flucht.