Kiku

Ein paar Stunden Würde (zurück-)geben

Die ersten Jugendlichen sitzen schon mindestens eine halbe Stunde bevor die Halle aufmacht, davor. Am Rande von Traiskirchen liegt die Eishalle, die im Sommer meist ungenützt leer steht. Seit rund einem Monat öffnet sie jeden Freitag Nachmittag ihre Tore für jugendliche Flüchtlinge und Familien.

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Gut und gern mehr als 200 kommen an diesem Nachmittag als der Kinder-KURIER die Aktion „Connect“ des Netzwerks Kinderrechte besucht. Federführend organisiert von den Kinderfreunden verwandelt sich die Halle mit Hilfe vieler Organisationen des fast nur für sein mehr als überfülltes Flüchtlingslager bekannten Ortes und vieler freiwilliger zupackender und helfender Einzelpersonen Traiskirchens für einige Stunden in einen Ort der Freude, vielen Lachens, ausgelassener Stimmung, der Begegnung.

„Damit versuchen wir wenigstens für ein paar Stunden den Menschen ihre Würde zurückzugeben“, bringt’s Bürgermeister Andi Babler auf den Punkt.

Ballspiele

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Mobile Basketballkörbe stehen an einer Seite. Am hinteren Ende baut „Jugend eine Welt“ das aufblasbare Fußballfeld für den Riesenwuzler auf. An anderen Stellen stehen Heurigen-Klapptische und Bänke mit Zeichenblöcken, Obst, Tennisbällen und Filzstiften, Luftballons, Mehl und Trichter.

Looms

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Während die ersten beginnen Fußball zu spielen oder Soft-Tennis, strömen immer mehr der Jugendlichen zu jenem Tisch an dem Rosa, Isa und Djamila die berühmten bunten Loom-Ringerl ausbreiten und vorzeigen wie daraus nur mit Hilfe zweier Stifte schnell Armbänder geknüpft werden können. Damit hatten sie bzw. Kindergarten- und Hortleiterin Alexandra nie gerechnet, dass dies so eine Attraktion für die überwiegend männlichen Jugendlichen sein würde. Und als die Ringerl auszugehen drohen, ruft sie ihren Mann Daniel an, der noch in Wien ist, weitere Loom-Packerl einzukaufen.

Fahnen malen

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Nach und nach füllt sich auch die Halle. Fuß-, Basket-, Soft- und Tennis- sowie Federbälle fliegen durch die Luft. In einem großen Kreis fliegen mit kleinen Kunststoffkugeln gefüllte Stutzen durch die Luft. Im Riesenwuzler schnallen sich Spieler mit Gurten an und kicken als wären sie Spielfiguren eines überdimensionalen Tischfußballspiels. Ein solches steht an anderer Ecke. Gleich daneben liegen auf großen Folien zwei Leintücher. Rundherum knien, Hockern und sitzen Jugendliche und malen. Neben ihren Namen entstehen auch Flaggen Afghanistans, Österreichs und Pakistans - genau an diesem Freitag Nachmittag jährt sich der Unabhängigkeitstag (14. August 1947) dieses Landes von Indien.

Wasserspiele und Deutschkurs

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Bobina taucht an einer anderen Ecke ganz ins Spiel mit Seifenwasser ein, erst lässt sie immer und immer wieder Bälle ins kleine Metallbecken fallen, danach stellt sie die Zweijährige hinein und plantscht voller Herzenslust. Während andere Seifenblasen durch die Luft pusten, entdecken mehrere Kinder, dass sich auch mit Trinkhalmen im Schaumbad Super-Bubbles machen lassen.
In den Sportlergarderoben sind Tische zusammen geschoben, in Kleingruppen wird Deutsch gelernt - von Begrüßungsformeln bis zu den Wochentagen.

Tanzen

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Der Großteil des Sportplatzes leert sich fast als in der Ecke bei den Fahrzeugen des Samariterbundes die Gruppe von Tanz die Toleranz aus der Ottakringer Brunnenpassage eine Lautsprecherbox anwirft und Musik erschallt. Ein großer Kreis bildet sich um die ersten Hip*Hop-Tänzer_innen. Die ersten zücken ihre Handys und fotografieren oder filmen, andere reichen ihre Smart-Phones an die Gruppe, damit Musik aus ihren Mobiles gespielt werden. Als afghanische Songs ertönen, strömen noch mehr dazu. Immer mehr tanzen auch mit.

Freude über Freude

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Doch nicht nur die Jugendlichen, Kinder und Familien haben ein paar Stunden Spaß, raus aus dem tristen Alltag, in dem viele von ihnen im Freien schlafen müssen. Auch die Helfer_innen strahlen über ihre ganzen Gesichter. Martina, ehrenamtliche Kinderfreunde-Mitarbeiterin: „Seit’s die Aktion gibt, freu ich mich immer so auf den Freitag. Sechs Tage siehst du, wie arm die Menschen dran, die schon so viel Leid hinter sich haben, aber da - nur Lächeln, Freude… Und so viele helfen, vorige Woche ist eine Frau mit zwei Blech voll Kuchen gekommen und hat selber bedauert, dass das ja nur Tropfen auf den heißen Stein wäre, aber es habe sie einfach gedrängt, irgendwas zu tun.“ Während sie das erzählt, entschuldigt sich eine andere Bewohnerin: „Es tut mir Leid, ich muss heute wirklich schon gehen, ich kann nicht beim Wegräumen helfen“ und schon schnappt sich ein Jugendlicher einen der Besen und kehrt auf.
Kaum einer der Flüchtlinge will heute über Flucht oder das Lager reden, sie wollen sich die Freude, den Spaß an diesem Nachmittag nicht verderben lassen. Auch jene, die zu Stiften greifen und zeichnen, lassen nur „schöne“ Bilder entstehen: Natur, Häuser und Karimi Rohalla lässt sich vom Deckblatt des Zeichenblocks inspirieren, dem berühmten Dürer-Hasen, wie wir ihn fast alle von der Schule her kennen.
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Laut wird’s hin und wieder nur in einer Ecke, wo leere Konservenbüchsen unter den Dosenschüssen krachend zu Boden fallen. Und als die neunjährige Rosa aus Herzenslust sich mit Kassim ein herzhaftes, lustvolles Schrei-Duell liefern.
So einfach kann’s gehen, Großes wenigstens für ein paar Stunden zu bewegen!

Wir warten nicht auf bessere Zeiten, wir machen sie!