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Alpbach impressions: Wenn die „Suits“ feiern

Große Skepsis begleitete mich auf meiner über achtstündigen Zugfahrt von Strasbourg – wo ich derzeit meinen Zivilersatzdienst leiste – bis nach Tirol. Von Politikern die eigentlich „eh nix zu sagen“ haben, lese ich sowieso täglich in den Zeitungen, dachte ich mir. Die muss ich nicht auch noch persönlich treffen. Und eigentlich ist es auch gar nicht mein Ding im Anzug aufgestylt als abgeschleckter Businessman Leuten die Füße zu küssen, mit denen man privat eigentlich nichts zu tun haben möchte, nur weil sie Geld oder Macht, manchmal auch beides haben. Aber weit gefehlt, in Alpbach ist eben alles anders und das ist auch gut so.In den letzten zwei August-Wochen treten im Tiroler Bergdorf Alpbach nämlich alle gesellschaftlich anerkannten Regeln außer Kraft. Man duzt Leute, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt und sammelt Visitenkarten von denen, die nicht einmal eine TV-Präsenz aufweisen können, weil sie im Hintergrund die Fäden ziehen. Hier treffen sich tatsächlich Europas Denker und Visionäre um über die Zukunft unserer Welt zu beraten und zu philosophieren. Wenn zum Beispiel der Coca-Cola Europe Marketing-Chef und der Kampagnenleiter von Greenpeace Osteuropa im Turnsaal der Alpbacher Hauptschule sitzen und mit dem Publikum einen offenen Dialog über „Lobbying für die Gesundheit“ führen, dann muss ich sagen, hat das schon was.

Gipsy + Klassik + Pop = Aitak Farzi Project

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Auch abseits des Forum-Trubels gab es Spannendes zu erleben. Mein persönliches Highlight der Side-Events war das Konzert des „Aitak Farzi Project“. Aitak Farzi, das ist der Name einer jungen Iranerin die in ihrer Kindheit nach Graz gekommen ist und seither dort lebt. Sie studiert Medizin und Violine und hat sich mit anderen Musikern zusammen getan, um etwas ganz anderes, in Europa Unbekanntes zu tun. In Alpbach ist sie gemeinsam mit dem 57-jährigen Grazer Gitarrenvirtuosen Gerald Schreiner und dem 27-jährigen Gitarristen Mladen Lovric (er ist ursprünglich aus Kroaten und nach Graz emigriert) im Gasthof Jakober aufgetreten. Der Sound des „Aitak Farzi Project“ zeichnet sich durch eine wilde Mischung aus Orientalischer Musik mit Gypsi-Sounds, Klassik und Pop-Einflüssen aus. Aber da Töne ja bekanntlich mehr als Tausend Worte sagen, möchte ich allen einen Konzertbesuch empfehlen. Prädikat: Erlebenswert!

Punkrock aus der Republik Moldau

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Ein weiteres Konzert in Alpbach, das ich so schnell sicher nicht vergessen werde, ist das der Moldawischen Band „Zdob Si Zdub“. Die Formatierung - die auch schon zwei Mal beim Eurovision Songcontest erfolgreich angetreten ist - rund um Frontman Roman Iagupov rockte den großen Erwin-Schrödinger Saal und brachte nicht nur die jungen Stipendiaten sondern auch die Vortragenden und Ehrengäste zum Schwingen des Tanzbeins.Wenn man also an einem Sonntag Aend beim Punkkonzert einer Moldawischen Band in einem kleinen Tiroler Bergkaff mit dem Kroatischen Präsidenten feiert und sich die „Suits“ (Anzugträger) auch einmal richtig gehen lassen, denk ich mir: Das mit der Welt wird schon wieder, es ist eben doch alles möglich!

Nikolai Atefie (18) berichtete für den Online-KIKU aus Alpbach und hat auch für den Print-KURIER geschrieben. Derzeit ist er Auslandsdiener im Europarat und seit Jahren Chefredakteur des unabhängigen Medienmagazins Medieninsider.at

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