Leben/Gesellschaft

Jugend forscht im Bäckenhof

In der Topfgärtnerei verzieren die Taferlklassler winzige Tontöpfe, stopfen sie mit Erde voll und drücken fachmännisch Sonnenblumensamen in das feuchte Substrat. Es wird angegossen, Erde auf dem Boden verschüttet und auf dem Tisch verschmiert, Glasperlen und Bänder verteilen sich im ganzen Arbeitsraum. "Wir haben einen Riesengarten daheim", prahlt ein Bub. Danach zeigt Kulturvermittlerin Katrin Harter, wie man mit Draht, Waldrebe und Wiesenblumen einen Kranz flicht.

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Julian, Hajar, Valtan, Romina, Marlene, Hanno, Margarethe, Ines und Dorian können sagen, dass sie die Ersten waren. Die Kinder der Volksschule Engelhartstetten (NÖ) testen die neue Kinder und Familienwelt auf Schloss Hof schon vor der Eröffnung auf Herz und Nieren.

Die jungen Niederösterreicher genießen den Umgang mit den natürlichen Materialien, kennen die Pflanzen aber nur vom Hörensagen. "Margarite habe ich schon einmal gehört, sie heißt so", sagt Hajar und zeigt auf ihre Klassenkameradin, die gerade eine blaublühende Blume in den Kranz steckt. Passend für einen adeligen Gutshof, aber den Namen Kornblume haben die Kinder noch nie gehört. In einer Landgemeinde, wohlgemerkt. Harter nickt: "Eines unserer Ziele ist es, den Bezug zur Natur wiederherzustellen. Die Kinder sollen hier Pflanzen und Erde angreifen und sich dabei auch schmutzig machen".

Das Kinder- und Familienzentrum ist für Schulen und Kindergärten angelegt, in unterschiedlichen Workshops wird die Lebenswelt der Prinz-Eugen-Zeit vermittelt – bei verschiedenen Themen, von Brotbacken über Töpfern und Körbe flechten bis hin zum Schreiben mit Feder und Tinte in einem nachgebauten Schulraum aus dem 18. Jahrhundert. Harter: "Da werden die Kinder so ruhig."

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Das ist aber noch nicht alles, weitere mögliche Aktivitäten sind: Menuett-Tanzen, als Prinz und Prinzessin auftreten und Stehgreif-Theater spielen. Krönender Abschluss im Sommer ist die Wasserpumpe im Innenhof. "Wir machen keine kleinen Handwerker aus ihnen an einem Vormittag, aber wir regen ihre Fantasie an."

Interaktiv

Für größere Kinder gibt es die interaktive Erlebnisausstellung, die den Alltag der einfachen Menschen beleuchtet, die den Betrieb auf dem Schloss am Laufen hielten. Vorgestellt werden unbekannte Aspekte des Gutshofes wie die Eisgrube. Im Winter holte man Eisblöcke aus gefrorenen Teichen und lagerte sie ein. Im Sommer hatte man so Eis zum Kühlen von frischem Fleisch. Weiß auch nicht jeder: Der Meierhof war jener Ort auf dem Gut eines Adeligen, an dem Käse gemacht wurde. Der Meierhof lag daher in der Nähe des Kuhstalls, wo die Milch zu Butter, Schmalz und Käse verarbeitet wurde.

Einen guten Schmäh haben die Kinder vom Land: Auf die neugierige Reporter-Frage, was sie denn werden wolle, ("eine Gärtnerin?"), meint ein Mädchen nur: "Nö, eine Null."

Über den Sommer wussten die Bauern im Dienste Prinz Eugen von Savoyens (1663–1736) manches zu sagen, zum Beispiel dieses: Gibt’s im Juni Donnerwetter, wird g’wiss das Getreide fetter. Als diese und andere Weisheiten erdacht und weitergegeben wurden, pflanzte man auf dem Jagdschloss des edlen Ritters im Marchfeld Paradeiser (Pomo d’Oro, „Goldapfel“) und Erdäpfel noch als Zierpflanzen an, die Schlossgärtner im Dienste Eugens verdienten je 192 Gulden im Jahr – in heutiger Währung 4416 Euro –, und die Welt war streng hierarchisch gegliedert. Die Adeligen ergingen sich hinter den Schloss-Mauern im weitläufigen Barockgarten, während Knechte, Mägde, Wäscherinnen, Jäger, Stallburschen außerhalb der Mauern schufteten.

Anspruchsvoll

Dies und vieles mehr erfahren die jungen Besucher der neuen Ausstellung im Bäckenhof des Schlosses über das Leben auf dem adeligen Gutshof. Eugens illustren Gästen sollte es an nichts fehlen. Seine Ländereien lieferten frisches Gemüse, Getreide, Obst, Milch und Fleisch, Schlossküche und Zuckerbäckerei zauberten anspruchsvolle Gerichte und Schleckereien. Die Gebrauchsgegenstände, Körbe und Bierfässer etwa, stellte das Gesinde selbst her, Käse wurde im Meierhof gemacht, Brot im Bäckenhof gebacken. Der größte Unterschied zu heute: Im 18. Jh. stand nicht die Familie, sondern die Hausgemeinschaft, bestehend aus Familienmitgliedern, Knechten und Mägden, im Vordergrund. Der Einzelne musste zurückstehen, wenn es um das Interesse des „ganzen Hauses“ ging. Die Arbeit war schwer, mit 12 Jahren war die Kindheit vorbei, die Jugendlichen mussten am Bauernhof mitarbeiten. Gleichzeitig „waren diese Kinder ungemein fantasievoll, sie erfanden ständig neue Spiele“, sagt die Historikerin Katrin Harter. Und was weissagt der Marchfelder Bauernkalender über die kommenden Monate? „Bringt der Juli heiße Glut, gerät auch der September gut.“