Leben/Gesellschaft

Wo Menschen mit Albinismus vor Verfolgung geschützt sind

Dodoma - Energisch kehrt Alphonce Yakobo das Laub vor seinem Haus auf der tansanischen Insel Ukerewe weg. Es ist kurz nach Sonnenaufgang. "Das ist die beste Tageszeit für mich", sagt Yakobo. Denn die starke afrikanische Sonne macht dem 57-Jährigen zu schaffen. Yakobo leidet unter Albinismus. Das bedeutet, dass sein Körper kein Melanin bildet, das Haut, Haare und Augen vor den Sonnenstrahlen schützt.

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Brutaler Aberglaube

Ohne Hut, Sonnenbrille und eine dicke Schicht Sonnencreme auf der hellen Haut wagt Yaobo sich nicht ins Freie. Doch die Sonne ist bei weitem nicht die einzige Gefahr für Menschen mit Albinismus in Afrika. In Tansania, Malawi und anderen Ländern im Süden des Kontinents werden den Körpern der hellhäutigen Afrikaner magische Kräfte nachgesagt, sie sollen Glück und Reichtum bringen. Das hat furchtbare Folgen: In den vergangenen Jahren wurden nach Angaben der Hilfsorganisation Under The Same Sun (UTSS) allein in Tansania 76 Menschen mit Albinismus ermordet, um aus den Leichen Zaubertränke und Talismane herzustellen.

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Die Insel Ukerewe im Victoriasee bietet den Betroffenen weitgehenden Schutz vor Verfolgung: "Hier sind wir vom Wasser umgeben, niemand kann ein Verbrechen begehen und dann einfach abhauen", sagt Yakobo. "Früher hatte ich manchmal Angst, aber jetzt kann ich Gott sei Dank nachts ohne Gewehr schlafen." Yakobo verdient sein Geld als Fischhändler. Er hat drei Frauen und elf Kinder. Keines davon hat die Pigmentstörung von ihm geerbt. Der Vater bedauert das: "Wir könnten uns darüber austauschen und ich hätte das Gefühl, einen Teil von mir weitergegeben zu haben."

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Ein sicherer Hafen

Ukerewe hat sich zu einem sicheren Hafen für Menschen mit Albinismus entwickelt. Es begann damit, dass Familien ihre hellhäutigen Verwandten auf der Insel aussetzten - im Aberglauben, sie seien verflucht. Die Verbannten schlugen sich durch, brachten es zu Wohlstand und andere von der Gesellschaft Geächtete folgten ihnen. "In vielen Aspekten ist Ukerewe bei der Integration von Albinos Vorreiter", sagt Harry Freeland, der einen Dokumentarfilm über Ukerewe gemacht hat.

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Albino-Gemeinde auf Ukerewe

200.000 Menschen leben auf der Insel, unter ihnen 75 mit Albinismus. Das entspricht etwa dem landesweiten Anteil in Tansania. "Noch nie wurde hier ein Mensch mit Albinismus ermordet", sagt Ramadhan Khalifa, der Vorsitzende der Albino-Gemeinde auf Ukerewe. Jedoch seien auch auf der Insel die Leichen von Hellhäutigen aus den Gräbern gestohlen worden, sagt Vicky Ntetema von UTSS. Sie erinnert außerdem an einen Überfall 2007, bei dem einem Mann mit Albinismus die weißen Haare abgeschnitten wurden.

"Ich habe keine Angst, angegriffen zu werden", sagt Kajanja Neema, während er auf der Straße sitzt und winzige Fische fürs Abendessen zerlegt. Sein Bruder Zacharia sitzt daneben und spielt auf der Gitarre. "Ukerewe ist sicherer als das Festland, aber perfekt ist es nicht", meint er. "Manchmal sagen Leute, dass sie uns umbringen und man weiß nie, ob sie es nicht vielleicht ernst meinen."

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