Leben/Gesellschaft

Genetiker auf der Fährte des Yeti

Mythen halten sich hartnäckig, besonders wenn sie sich um Fabelwesen wie Yeti und Bigfoot drehen. Daher haben wohl viele vergessen, dass in den USA schon 2002 ein großer Bigfoot-Schwindel aufflog. Nach dem Tod von Ray Wallace gestand dessen Sohn, sein Vater habe Monsterspuren mit einer 40 Zentimeter langen Holzschablone gelegt. Er habe auch unscharfe Fotos und Tonaufnahmen mit angeblichen Geräuschen der Kreatur angefertigt. Wallace habe Helfer gehabt, die für die Fotos im Zottelpelz posierten.

Wie gesagt: längst vergessen.

Jetzt aber sollte der Spuk ein für allemal ein Ende haben: Erstmals haben Genetiker systematische Gen-Analysen an Haarproben von 36 potenziell mythischer Wesen durchgeführt. Das Ergebnis, publiziert im Fachmagazin Proceedings B of the (british) Royal Society: Yeti, Bigfoot, Almasty, und Orang Pendek entpuppten sich als Eis-, Braun- oder Schwarzbären, Pferd, Kuh, Waschbär, Wolf oder Hirsch (siehe Grafik).

Um zu verstehen, warum es bis 2014 gedauert hat, ehe ernst zu nehmende Genetiker sich des Themas annahmen, muss man einen kleinen Ausflug in die Psyche eben dieser unternehmen: Für echte Forscher ist es eine Zumutung, an die Kryptozoologie anzustreifen. Sie trägt zwar einen wissenschaftlichen Namen, will vor dem Menschen verborgene Tiere aufspüren und erforschen, wird aber von der etablierten Zoologie schlichtweg ignoriert.

Der berühmte britische Humangenetiker Bryan Sykes von der Universität Oxford drückt es vornehm aus: "Die moderne Wissenschaft hat dieses Thema bisher eher gemieden". Und hat sich im Jahr 2012 dennoch in Museen und Privatsammlungen, darunter der von Reinhold Messner, auf die Suche nach potenziellen Yeti- und Bigfoot-Haaren begeben. Nicht, weil er gerne ein Fabelwesen finden möchte, sondern weil er an alter DNA interessiert ist. Eine der Theorien hinter dem Yeti besteht nämlich darin, dass sie Überbleibsel längst ausgestorbener Hominiden sein könnten, die heute in Isolation leben.

Was war's?

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DNA-Analysen

57 Proben von mumifizierten und ausgestopften Wesen kamen zusammen, zwei entpuppten sich schon beim Blick ins Mikroskop als Pflanzen- bzw. Glasfasern. Nach penibler Prüfung der Einsendungen blieben 36 untersuchungswürdige Haarproben übrig. Die Forscher reinigten alle Haarproben gründlich, um eine Kontaminierung auszuschließen. Schließlich weiß man ja nicht, durch wie viele Hände sie bereits gegangen sind und wie viel Fremd-DNA daran haftet.

Dann isolierten Sykes und sein internationales Team daraus einen bestimmten Abschnitt der so genannten mitochondrialen DNA. Dieses Erbgut stammt nicht aus dem Zellkern der Haarwurzeln, sondern aus deren Zellkraftwerken, den Mitochondrien. Weil diese DNA meist besser erhalten ist als die Kern-DNA, wird sie gerne für Gen-Analysen von alten oder urzeitlichen Knochen oder Haaren verwendet.

Tatsächlich gelang es den Wissenschaftlern mithilfe dieser Gen-Sequenzen, 30 Proben genetisch eindeutig einer Tiergattung zuzuordnen – die große Mehrheit der Haare stammt von wohlbekannten Primaten.

Wie gut für Fans von Mysterien: Einige rätselhafte Erbgut-Sequenzen bleiben. So zeigen zwei Haarproben aus Indien und Bhutan eine Übereinstimmung mit dem Erbgut eines Eisbären – der vor etwa 40.000 Jahren lebte. Dies ist aus zwei Gründen überraschend: Zum einen gab es nach heutigem Wissen im Himalaja nie Eisbären, zum andern weicht die DNA der Proben vom Gen-Muster moderner arktischer Eisbären ab, erklären Sykes und seine Kollegen.

Und suchen nach Erklärungen: Es wäre möglich, dass die Rätselbären aus Ladakh und Bhutan von Hybriden abstammen, die schon kurz nach der Aufspaltung von Braun- und Eisbären entstanden sind. "Wenn solche Bären tatsächlich im Himalaja verbreitet sind, dann könnten sie die biologische Grundlage der Yeti-Legende sein", mutmaßt Genetiker Sykes. Er regt eine Expedition an, um so einen Bären zu finden. "Wir können all die Fragen, die jetzt auftauchen, nicht aus einer Haarprobe beantworten."