Leben/Gesellschaft

"Glück wohnt nicht im Tresor"

Nein, sein neues Buch ist kein weiterer Glücksratgeber, betont Florian Langenscheidt (60). Tatsächlich findet man auf den 128 Seiten keine einzige Empfehlung – "Finde dein Glück" ist voll mit Fragen zur eigenen Persönlichkeit, zu Zukunftsplänen und Vergangenheit. "Es gibt Inspiration, sich zu fragen, was wirklich zählt im Leben", sagt der Bestseller-Autor im Interview mit dem KURIER.

KURIER: Im Buch findet man Fragen statt Antworten. Warum?

Langenscheidt: Als ich vor drei Jahren "Langenscheidts Handbuch zum Glück" geschrieben hatte, bekam ich Tausende Mails. Da wurde mir klar: Es gibt unendlich viele Menschen, die sich am Ende ihres Lebens denken, hätte ich doch nur ein Leben gelebt, das meines ist. Sie hatten aber nicht den Mut, ihr Glück zu definieren. Durch die Fragen wird ermöglicht, dass man sich mit sich selbst beschäftigt und herausfindet, was wirklich wichtig ist – abgesehen von den Erwartungen der Eltern, Lehrer, Pfarrer oder Medien.

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Was passiert mit uns, wenn wir die Fragen beantworten?

Sokrates hat gesagt, Philosophie sei wie Hebammenkunst – man muss nur rausholen, was in einem drin ist. So ähnlich ist es mit den Fragen. Wir gehen im Buch durch verschiedene Lebensbereiche – Kindheit, Pläne, Beziehungen. Wenn man einige Fragen ehrlich beantwortet, ergeben sich vollkommen neue Perspektiven, neue Erwartungen ans Leben. Wir sind unser eigener Wettergott – wir entscheiden, ob wir aus unserem Leben ein glückliches machen oder nicht. Die Fragen helfen dabei.

Was hindert die meisten Menschen daran, glücklich zu sein?

Einerseits Neid statt Dankbarkeit, andererseits der fehlende Mut zum Sprung, zur Veränderung. Das lange Überlegen, was könnte passieren, wenn ich beruflich oder privat einen wichtigen Schritt wage. Just do it! 92 Prozent aller Sorgen, die wir uns vor großen Veränderungen machen, treten ohnehin nicht ein. Dafür gehen andere Dinge schief! Das Leben besteht immer aus Licht und Schatten.

Die dunklen Seiten erwähnen Sie oft. Inwiefern prägen uns Krisen?

Ich glaube, dass wir erst durch Leid zu Persönlichkeiten, zu Menschen werden. Leid und Glück sind eng miteinander verknüpft, ohne Leid kann ich Glück nicht würdigen. Ich bin weit entfernt von diesen Smileys, die immer lächelnd durch die Welt gehen und einen oberflächlichen Glücksbegriff prägen. Jeder Mensch muss sich Krisen stellen – die Energie dafür zieht er aus den schönen Momenten. Die muss man sich gönnen, und deswegen braucht es Mut zum Glück. Ich kann nicht warten, bis es vorbeikommt.

Sie sind bekannt für Ihr soziales Engagement, haben u. a. die Kinderhilfsorganisation "Children for a better World" gegründet. Ist man glücklicher, wenn man gibt?

Eindeutig. Klar, eine Sechsjährige freut sich mehr, wenn sie etwas geschenkt bekommt als wenn sie schenkt. Aber mit ein bisschen Lebenserfahrung merkt man, dass das Schenken glücklicher macht. Und dass ich meine wahre Erfüllung finde, wenn ich mich stark um andere kümmere statt immer nur egoistisch um meine Karriere. Das ist ein komischer Effekt, der für die Menschheit wahrscheinlich lebenserhaltend ist.

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Sie sind in wohlhabenden Verhältnissen aufgewachsen. Ist es einfacher, glücklich zu sein, wenn man alles hat?

Die Schwierigkeiten mit dem Glück sind nicht primär finanzieller Art. Es gibt viele Leute, die wohlhabend geboren sind und denen es nicht gelingt, glücklich zu sein. Klar, für einen Hartz-IV-Empfänger (Arbeitslosengeld, Anm.) sind zehn Euro mehr ganz wichtig. Wenn die Existenz gesichert ist, verliert sich diese Beziehung aber. Dann stellt man fest, dass sich das Wesentliche im Leben nicht kaufen lässt. Glück wohnt nicht im Tresor.

Ist Glück ein Moment oder kann es ein Leben lang andauern?

Es sind fragile Momente, die oft kommen, wenn man sie nicht erwartet, und die oft nicht kommen, wenn alles danach schreit – Beispiel Weihnachten oder Honeymoon. Ich glaube, wenn man mit seinen Erwartungshaltungen vernünftig arbeitet, ein bisschen mit seinem Schicksal jongliert und immer wieder in sich hineinhört, was einem gut tut, kommt das Glück ganz schön oft vorbei.

Wann haben Sie zuletzt einen solchen Glücksmoment erlebt?

Vor Kurzem, als ich wegen etwas besorgt war: Meine Zwillingstöchter (7, Anm.) haben mich gebeten, mich nach vorne zu beugen, und gefragt: "Papa, was geht immer?" Dann haben sie mich von beiden Seiten auf die Wangen geküsst. Die Sorgen waren wie weggeblasen.

Zur Person

Verleger, Vater, Philanthrop

Langenscheidt, geboren 1955, ist der Ururenkel des Verlagsgründers Gustav Langenscheidt. Er studierte Germanistik, Journalismus und Philosophie sowie Verlagswesen in Harvard und war bis 1994 in der Langenscheidt-Gruppe tätig. Der fünffache Vater (zwei Söhne mit Ex-Frau Gabriele Quandt, drei Töchter mit Ehefrau Miriam) ist Autor mehrerer Bestseller-Bücher ("Langenscheidts Handbuch zum Glück"), Kolumnist (u. a. Forbes) sowie Initiator der Hilfsorganisation "Children for a better World".

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