Neue EU-Verordnung: Tattoos müssen eintöniger werden
Dutzende bunte Fläschchen, eine Tattoo-Maschine und viel Fingerspitzengefühl - mit diesen Mitteln erfüllen Tätowierer weltweit die Wünsche von Kundinnen. Allzu bunt dürften die aber bald nicht mehr ausfallen, zumindest nicht in der Europäischen Union: Ab morgen verbietet die EU nämlich viele Inhaltsstoffe, die in diversen gängigen Tätowierfarben enthalten sind.
„Corona mit den monatelangen Schließungen hat uns schon arg gebeutelt. Dann kommt sowas obendrauf.“ Kritisiert Sebastian Makowski, Geschäftsführer der „Ältesten Tätowierstube in Deutschland“ im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Groß ist die Unsicherheit, mit welchen Farben er bald überhaupt arbeiten kann.
Tausende Substanzen auf der Bannliste
Vom 4. Jänner 2022 an unterliegen viele Chemikalien in Tattoo-Farben in der gesamten Europäischen Union den Beschränkungen durch die sogenannte REACH-Verordnung. Auf der Bannliste stehen dann Tausende Substanzen. Viele von ihnen sind aus Sicht der EU potenziell gefährlich oder nicht ausreichend erforscht. 2020 wurde das Verbot beschlossen, die Übergangszeit läuft nun aus.
Das Ziel sei laut der EU-Kommission nicht, Tätowierungen grundsätzlich zu verbieten. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) betont, es gehe darum, „Tätowierfarben und Permanent-Make-up sicherer zu machen“.
Ab 2023 auch kein Grün und Blau
In einem Jahr kommen auf die Tattoo-Branche weitere Einschränkungen zu. Ab 2023 will die EU zusätzlich auch noch bestimmte blaue und grüne Farbpigmente untersagen. Der Grund: Ihre Sicherheit sei nicht nachgewiesen, laut ECHA stehen die Pigmente im Verdacht, krebserregend zu sein. Die meisten bisher genutzten Tattoo-Farben sind demnach in der aktuellen Zusammensetzung bald verboten - vor allem die bunten.
Sebastian Makowski rechnet damit, dass deshalb ein Drittel seiner Kundschaft bald wegbleiben könnte. Bei seinen Kolleginnen und Kollegen im Laden erwarte er stärkere Einbrüche, weil sie deutlich mehr mit bunten Farben arbeiteten als er. Ein Branchensprecher kritisiert die Entscheidung auch als Entmündigung der Bürger.
Das Verbot ist "vollkommen richtig"
Christoph Liebich, Dermatologe in München, sieht das naturgemäß anders. Viele Tattoo-Farben, die bislang auf dem Markt seien, seien nicht nachweislich unbedenklich. „Viele sind nie in klinischen Studien überprüft worden. Das heißt, Tattoo-Farbstoffe haben immer ein großes Risiko, eine Allergie auszulösen, es besteht auch die Gefahr, dass Krebs entstehen kann“, mahnt er.
Den Schritt zum Verbot vieler enthaltener Substanzen findet er „vollkommen richtig“. Schließlich gebe es für Substanzen zum Auftragen auf die Haut höchste Ansprüche - für Stoffe, die unter die Haut gingen, müssten diese also erst recht gelten.
Jeder Fünfte hat bereits ein Tattoo
Ein Nischentrend sind Tätowierungen lange nicht mehr, einigen Umfragen nach trägt etwa jede oder jeder Fünfte dauerhaften Körperschmuck unter der Haut. Die neuen Auflagen verunsichern also auch viele Tattoo-Fans. Viele hätten zum Jahresende noch dringlich versucht, einen Termin zu bekommen, um ihre Farb-Tattoos fertigstellen zu lassen, erzählt Makowski - oft vergebens. In der Branche wird in den nächsten Wochen ein Chaos befürchtet.