Leben/Gesellschaft

Harte Sau, einer der Guglhupf bäckt - oder beides?

Die Frage ist auch: Wie muss ein Mann eigentlich drauf sein, dass er sich von einem anderen Mann das Aufreißen vorhüpfen lässt? Warum muss man neuerdings Kurse besuchen, um zu lernen, wie man eine Frau „rumkriegt“? Äh, war das irgendwann nicht einmal selbstverständlicher Teil des hübschen Spiels „Ein Mann und eine Frau?“ Stattdessen: Pimp den Kerl in dir, um die Hasen zu (ver)führen. Das ist das Business der Firma „Real Social Dynamics“ beziehungsweise des Julien Blanc. Einer der „Pick-Up-Artist“-Pioniere heißt übrigens Neil Strauss, dessen Buch „Die perfekte Masche. Bekenntnisse eines Aufreißers“ 2006 erschienen ist.

Macho oder Softie?

Vermutlich ist auch dieses Phänomen eine Art Befund. Dafür, dass da draußen jede Menge schlecht bis mittelmäßig sozialisierte Jungs herumgeistern, die nicht mehr so genau wissen, was es eigentlich heißt, „angemessen“ zu kommunizieren. Beziehungsweise: Denen es an männlichen Role Models fehlt. Die sich inmitten des Rollenbilder-Wirrwarrs, das derzeit vorherrscht, nicht mehr zurechtfinden können. Die sich fragen: Was will die Welt, was wollen die Frauen von mir? Den Macho, den Softie, den wilden Kerl, den sanften Beckenrandschwimmer, den lustigen Kumpel, den perfekten Geschirrspülapparatausräumer und einen, der auch Guglhupf backen kann? Oder soll er eher nach dem Fifty-Shades-of-Grey-Prinzip agieren: „Baby, ich zeig dir, wer hier der Meister ist“?

In dieser allgemeinen Orientierungslosigkeit zwischen Hotel Mama und Darkroom scheinen manche Rat zu brauchen, um nicht verloren zu gehen. Der ist nicht nur teuer (Pick-Up-Kurse sind nicht gerade kostengünstig), sondern oft auch schlecht. Eines ist aber ganz besonders klar: Von mir aus sollen die Burschen pauken, wie man Frauen anspricht - aber: Druck und Gewalt haben im Pas-de-deux von Flirtenden absolut nichts zu suchen. Das ist nicht stark, sondern schwach, schwächer, am schwächsten. Vielleicht ist es sogar lächerlich.

Womit sich die jedoch eine weitere Frage stellt: Was genau heißt denn heutzutage stark? Für mich ganz klar: Stark ist eine Mann dann, wenn er – weitgehend frei von Attitüde - sein kann, wie er ist. Wenn er kein künstliches Gegockle braucht, das ihn nicht-authentisch macht. Wenn man das Gefühl hat: Hey, da ist ein Typ, der weiß, was er will und das noch dazu charmant und nett. Wenn einer zuhören kann, ohne der Situation permanent sein Ego drüberzustülpen. Stark ist, wer DA ist, ohne den gesamten Raum zu beanspruchen. Stark ist, wer schwach ist!

Klar gehört zum „Game Number 1“ - dem Flirt - dazu, dass man flunkert, übertreibt, sich besser darstellt als man vielleicht in Wirklichkeit ist. Das machen Frauen wie Männer – das gehört zur Anbahnung wie das Kondom zum Sex. Aber am Ende gilt: Wo nix geht, geht nix – und schon gar nicht mit Druck. Abgesehen davon bin ich heftigst dafür, die ganze Flirt-Kiste endlich wieder einmal lockerer zu sehen. Und das gilt ebenfalls für Männer und Frauen gleichermaßen.