Leben/Gesellschaft

Menschenhirne unterschiedlich wie Fingerabdrücke

Menschen haben nicht nur verschiedene Haar- und Augenfarben, Körpergrößen und einen individuellen Fingerabdruck, sondern auch große Unterschiede in der Hirnstruktur, erklärte die Neurowissenschafterin Katrin Amunts im Rahmen der Alpbacher Technologiegespräche. Diese seien für das Verhalten, die Leistungsfähigkeit bei verschiedenen Herausforderungen und Krankheiten bedeutsam.

Wie groß diese Unterschiede sind, haben die Forscher mithilfe des dreidimensionalen "JuBrain" Gehirnatlas gelernt, der seit seiner Fertigstellung im Vorjahr als Referenz zum Vergleichen dient, so Amunts, die am Institut für Neurowissenschaften und Medizin des Forschungszentrums Jülich (Deutschland) forscht. Am Donnerstag Abend referiert sie in Alpbach beim Panel "Wir und unser Gehirn - Neurologische Forschung at the Crossroads".

Für den Atlas hat Amunts mit Kollegen die Hirnareale von mehreren menschlichen Gehirnen anhand von Mikroskopbildern kartiert, dreidimensional rekonstruiert und übereinander projiziert. "So erhält man 'Wahrscheinlichkeitskarten', die die Unterschiede in der Form und Lage der verschiedenen mikroskopischen Areale abbilden", erklärte sie.

Sprachgebiet

"Die Größe des Sprachgebiets im Gehirn variiert zum Beispiel um das Fünffache zwischen einzelnen Personen", sagte sie. Dies sei viel mehr, als etwa der Blutdruck und die Körpergröße verschieden sind. "Wir nehmen an, dass solche Unterschiede funktionell relevant sind", so Amunts. Bei einigen, wenigen Beispielen sei der Zusammenhang zwischen Form und Funktion gut untersucht. "Man weiß, dass Berufsmusiker eine etwas andere Hirnstruktur als Nichtmusiker in den Bereichen haben, die für akustische Wahrnehmung verantwortlich sind", sagte sie. Und jene Profimusiker, die Tasteninstrumente wie Klavier und Orgel spielen, hätten ein größeres Gebiet, das ihre Handmotorik steuert, als ihre Kollegen.

Die Variabilität sei aber nicht überall im Gehirn gleich. "Gebiete, die sich sehr früh in der Evolution entwickelt haben, scheinen ein bisschen weniger unterschiedlich als solche, die später hinzugekommen sind", so die Hirnforscherin. Zusätzlich erstellten die Forscher ein Hirnmodell mit einer räumlichen Auflösung von 20 Tausendstel Millimeter - das ist dünner als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Dieses "BigBrain" Modell basiert auf 7.407 histologischen Schnitten, die vom Gehirn einer verstorbenen 65-jährigen gemacht wurden. Die Forscher haben sie anschließend gescannt und zu einem dreidimensionalen Modell zusammengesetzt.

Big Brain

"Das BigBrain Modell ist zum Beispiel wichtig, um räumlich genau Ergebnisse aus verschiedenen Untersuchungen in Zusammenhang zu bringen", sagte Amunts. Gehirn-Studien würden auf ganz unterschiedlichen Größenordnungen durchgeführt - von einzelnen Molekülen und Synapsen, den Schaltzellen der Nervenzellen, über kleine Netzwerke bis zu den großen funktionalen Systemen wie der Sprachverarbeitung, die viele Gehirnregionen umfasst, erklärte Amunts.

"Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hat man vielerorts Gehirnkarten in Form von schematischen Zeichnungen und Skizzen erstellt, die in den folgenden Jahren ein wenig in Vergessenheit geraten sind", so die Neurowissenschafterin. "Mit dem Aufkommen von modernen, bildgebenden Verfahren wie der Kernspintomographie, die es ermöglichen, dem Gehirn sozusagen bei der Arbeit zuzuschauen, ist ein großer Bedarf an dreidimensionalen Hirnkarten entstanden", erklärte sie. Diese stünden den Forschern nun frei zur Verfügung.