Leben/Gesellschaft

Was sich Schüler von ihren Lehrern wünschen

So einen Lehrer wie Zeki Müller aus "Fack ju Göhte" haben Sara (12), Jimmy (11), Kova (12) und Nik (11) in ihrer zweiten Klasse der Neuen Mittelschule im 20. Wiener Bezirk auch. Einen, der lustig ist und sagt "Schluss mit dem Tratschen, ihr Tratschtanten!" und sich die Ohren demonstrativ zuhält, wenn es zu laut ist. Der eine gute Idee hat, wenn Schüler lieber eine Stunde Pause machen wollen. Und davon gibt es eine Menge in dem Haus am Park.

In dieser Schule sprechen 95 Prozent der Kinder zu Hause eine andere Sprache als Deutsch. Und die anderen kämpfen mit anderen Problemen. Etwa Nik. Er tat sich in der Volksschule schwer, etwa im Umgang mit Stress, und wäre fast in einer Sonderschulklasse gelandet. Jetzt fühlt er sich wohl in seiner bunten Klasse und verblüfft mit seiner erwachsenen Wortwahl, wenn Kolleginnen wie Sara ihn mal zu Wort kommen lassen.

Das quirlige Mädchen aus dem Kosovo kam mit seiner Mutter im Alter von einem Jahr nach Wien, weil man zu Hause seine Leukämie nicht behandeln konnte. Nach sechs Jahren folgte der Rest der Familie. Ebenfalls als Kleinkind kam Kova mit ihren Eltern und Geschwistern aus Russland. Jimmy kennt sich als ehemaliger Sängerknabe mit der österreichischen Seele gut aus, auch wenn seine Eltern von den Philippinen stammen.

Sie zählen zu den Schülern, die "nicht immer, aber meistens" mitmachen, "aber wir haben eine Gruppe von Schülern, die immer reden, auch wenn wir zuhören sollen". Das stört vor allem Nik, der es zum Konzentrieren lieber ruhig hat. "Die gehen manchmal so lang aufs Klo, bis die Lehrer uns ganz verbieten, hinauszugehen", erzählt Sara.

"Sonst hört ihm keiner zu"

Sie schätzt an ihrem realen "Zeki Müller", dem Mathe-, Werk- und Turnlehrer, dass er streng, aber lustig ist: "Wenn jemand gar nicht streng ist, dann hört ihm niemand zu. Wer anderer würde uns anschreien, aber er kitzelt uns, wenn wir miteinander tratschen. Oder sagt: ‚Ich schmeiß euch sonst in hohem Bogen bis vor die Tür.‘" In einer anderen Klasse kommt das aber gar nicht gut an, erzählen die Kids: "Dort sind die gleich beleidigt, wenn er so mit ihnen redet."

Lehrerpersönlichkeiten wie die spießige Frau Schnabelstedt im Film gibt es auch: "Wir hatten eine Vertretungslehrerin, die hat sich gleich irrsinnig aufgeregt, dass wir länger draußen waren, dabei hat uns das die vorige Lehrerin erlaubt. Die hat uns alle angekeppelt."

Anlass dafür gibt es oft, geben sie zu: "Vergangenes Jahr gab es zwei Schüler, die ständig gestört haben, aber die sind nicht mehr da." Jetzt nerven andere, sagt Sara: "Wir haben ein Kind in der Klasse, das arbeitet nur mit, wenn ein Lehrer sehr streng ist und straft. Bei netten Lehrern stört er nur." Aber es geht auch anders: "Ein Mädchen in unserer Klasse ist klug und die möchte sich manchmal konzentrieren. Und manchmal möchte sie halt nur Spaß haben."

Der hauseigene Zeki Müller hat eine besondere Art, den Kindern Grenzen zu setzen, so Sara: "Wenn es ihm reicht, sagt er: ‚Jetzt hört mal auf zu hoppeln, ihr Hasen’, damit sich alle hinsetzen. Manchmal arbeiten wir so brav, dass wir keine Hausaufgaben mehr bekommen."

Verloren gegangen

Zu Pannen wie bei der Schulreise im neuen Film kommt es natürlich auch bei ihnen. "Wenn jemand zu schlimm gewesen ist, darf er gar nicht mit. Aber meist geht es gut: Die Lehrerin zeigt uns Stopp zum Stehenbleiben und das Peace-Zeichen zum Weitergehen. Einmal ist ein Schüler absichtlich bei einer falschen Station ausgestiegen. Das ist natürlich ein Stress für die Lehrer. "

Eine Vertrauenslehrerin gibt es auch im Haus, die immer wieder bei schulischen oder privaten Problemen geholfen hat. "Aber manchmal reden wir lieber mit unserem lustigen Lehrer – der hört uns auch zu."

Bernhard Reingruber hatte eine glänzende Karriere vor sich: Studium der Betriebswirtschaftslehre, Berufserfahrung im Ausland, kommunikatives Auftreten. In Kanada und Indien arbeitete er für Start-ups und unterstützte die jungen Firmengründer in der Anfangsphase. Gründete selbst ein Unternehmen. „In Indien bin ich erstmals mit Schulkindern und ihrem Unterricht konfrontiert worden und habe festgestellt, wie ungleich die Chancen auch hier bei uns sind“, erinnert er sich.

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Als er die Bildungsinitiative „Teach for Austria“ im Internet entdeckte, war er begeistert. Das Programm bereitet engagierte Quereinsteiger auf den Unterricht in einer Schule in einer von Armut geprägten Gegend vor. „Der erste Tag in einer Schule im zehnten Bezirk in Wien war trotzdem ein Schock, eine Überforderung“, erinnert sich Reingruber. Zwei Jahre arbeitete er als „Fellow“, eine Art Junglehrer, bevor er heuer selbst eine Klasse übernehmen darf, die er zu zweit mit einem Teamlehrer betreut. „Wie in ‚Fack ju Göhte‘ wollen die Schüler die Grenzen des Lehrers austesten, wollen seine Aufmerksamkeit. Auch weil das vielen zu Hause fehlt. Da ist man persönlich sehr gefordert. Wir von ‚Teach for Austria‘ bekommen dafür begleitendes Training und Supervision, damit wir diese Situationen reflektieren können. Da ist die Ausbildung nicht am ersten Schultag vorbei. Aber die Lehrer werden damit alleine gelassen“, kritisiert er. Reingruber sieht einen wichtigen Vorteil der Quereinsteiger gegenüber den Kollegen, die direkt „von der Schule in die Schule“ gehen: „Viele von uns haben in ihrem Beruf Verantwortung übernommen und Leadership gezeigt. Diese Erfahrung hilft in der Klasse enorm.“

Wie geht ihr mit Konflikten um?

Schließlich geht es in der Schule nur teilweise um den Unterricht: Wir arbeiten viel am sozialen Lernen. Wie geht ihr mit Konflikten um? Wie gebt ihr Feedback und nehmt es an? Wie kann ich euch zur Bildung motivieren? Erst dann geht es um Mathematik.“

Was er selbst erst lernen musste, war Konsequenz. „Es ist wichtig, die Einhaltung von Regeln einzufordern. Die gleichen Regeln, die gleichen Konsequenzen, immer wieder.“

„Mehr ist möglich“

Vor allem liegt ihm ein Grundwert von „Teach for Austria“ am Herzen: Mehr ist möglich. „Wenn ich in einer Klasse von 25 Kindern stehe, sehe ich ihre übersprudelnde Kreativität und will das fördern.“ Auch Professionalität und Begeisterung zählen im Bewerbungsverfahren, nach dem jährlich rund 30 Kandidaten beginnen. Findige Ganoven wie Zeki Müller aus „Fack ju Göhte“ haben keine Chance: Alle Teilnehmer müssen einen Universitätsabschluss haben.

Nähere Informationen:

www.teachforaustria.at

In der Neuen Mittelschule Pöchlarngasse in Wien 20 gehen die Direktorin Ulrike Dewam und ihr Team mit Montessori-Lehrmethoden auf die Kinder ein. Doch der Druck wird immer größer, beklagt sie: „Es kann nicht jeder ein guter Kopfarbeiter sein. Viele Kinder könnten sich als Handwerker verwirklichen, aber darauf nimmt die Schule keine Rücksicht. Früher gab es eine Hauptschule mit A- und einem B-Zug, in dem man etwa kein Englisch gelernt hat. Jetzt soll jeder den schwierigeren Stoff lernen. Da erleben viele Kinder, dass sie immer die schlechtesten sind. Das einzige Erfolgserlebnis haben sie, wenn sie mit ihren Freunden im Park herumhängen.“ Mehr als ein Drittel ihrer Kinder schafft die Schule nicht, schätzt sie. „Ich kann mit einem Kind, das das Einmaleins nicht schafft, nichts anfangen.“

Viele Ideen rund ums manuelle Arbeiten scheitern an gesetzlichen Hürden. „Ich habe eine Küche, in der ich mit den Kindern sogar ein Catering aufmachen könnte. Aber die Kochstunden werden immer mehr reduziert und hackeln dürfen sie auch nicht, sonst ist es Kinderarbeit“, klagt sie. Auch beim Personal ist sie stark reglementiert. „Es dürfen nur Lehrer unterrichten. Ich hatte schon fast eine Sonderschullehrerin mit einer Tischlerausbildung. Aber die wollte lieber in ihrer Schule eine eigene Klasse übernehmen.“

Vom Einsatz ihrer Kollegen ist sie beeindruckt, sagt Dewam: „In einem Gymnasium wären wir einfach unschlagbar.“