Leben/Gesellschaft

Schwitzt man eigentlich auch im All?

Kahlrasierter Schädel, Turnschuhe und ein spezielles, von einer Schweizer Firma hergestelltes T-Shirt: Alexander Gerst, deutscher Neuankömmling auf der Internationalen Raumstation ISS, muss schon ab Tag 1 kräftig in die Pedale treten und Gewichte stemmen. Sport gehört zwangsläufig zum Alltag jedes Astronauten, sonst verschwinden die Muskeln schnell in der Schwerelosigkeit. Doch Sport bedeutet auch Schweiß, Bakterien und Gestank. Pech, denn eine Waschmaschine gibt es dort oben nicht.

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Womit wir beim eingangs erwähnten superleichten Funktions-T-Shirt wären, das Gerst unter All-Bedingungen testet. "Space-Tex", also "Weltall-Textilien", nennt sich das Experiment gegen den Mief auf der ISS. Erdacht hat es der Textilingenieur Jan Beringer vom Hohenstein Institut. Seit 60 Jahren sammeln die deutschen Stoff-Experten Daten über den Schweiß-Transport von Kleidung. Doch Projektleiter Beringer fand, dass man neue Impulse brauche, um Funktionskleidung weiterzuentwickeln. "Bekleidung 2.0 quasi", sagt er.

100 Experimente

Und so wird Astronaut Gerst mehr als 100 Experimente im All machen, Fragebögen ausfüllen – und schwitzen. Wer es genau wissen will: Der 37-Jährige wird das Polyester-T-Shirt, das im Handel für etwa 60 Franken (knapp 50 Euro) zu haben ist, vor seinem Training anziehen, auf dem Laufband heftig transpirieren und es danach luftdicht verpacken, damit es die Experten in Hohenstein nach seiner Landung untersuchen können. "Mittels Gaschromatografen mit Massenspektrometer wird die Anzahl die Geruchsmoleküle detektiert", sagt der Projektleiter. Zum Vergleich trägt Gerst beim nächsten Training ein normales Baumwollshirt, das ebenfalls auf Geruch und Bakterien untersucht wird.

Beringer will einfach alles über Geruchsentwicklung, Atmungsaktivität und Wohlbefinden wissen, funktioniert das Zusammenspiel von Körper, Kleidung und Klima in der Schwerelosigkeit doch ganz anders als auf der Erde (siehe Grafik rechts). "Der Schweiß bleibt, wo er entsteht. Die warme Luft verflüchtigt sich ebenfalls nicht nach oben." Die Folge: Keine Kühlung durch Schwitzen. Rundum erschwerte – also ideale – Bedingungen, um Kleidung für extreme Bedingungen auf der Erde zu entwickeln.

Denn: "Natürlich werden wir keine 100.000 Shirts an Astronauten verkaufen, wollen aber ihr Wohlbefinden verbessern", sagt Jan Beringer und denkt eher an von Extremen gebeutelte Menschen auf der Erde – etwa Kumpel, die im Salzbergbau arbeiten: "Dort wird es besonders heiß." Oder an Feuerwehrleute.

Außerdem stehe die Mission zum Mars praktisch vor der Tür. 2030 werden Menschen in ein Space-Shuttle steigen und es drei Jahre lang nicht verlassen können – Hygiene-Problem inklusive.