Leben/Gesellschaft

"Singen und schreiben half mir enorm"

Ich bin im März dieses Jahres an Brustkrebs erkrankt. Da ich im Rahmen meines Schauspielstudiums am Max-Reinhardt-Seminar bei Klaus Maria Brandauer und Samy Molcho mehrere Jahre in der österreichischen Hauptstadt gelebt habe, fühlte ich mich sofort von Ihrem Aufruf angesprochen. Schon vor der OP half es mir enorm zu singen und zu schreiben. Das Schreiben an meinem "Erfahrungsbuch" über die Erkrankung (Arbeitstitel: Dunkelland oder Einmal Krebs und zurück) setze ich bis heute fort. Eine Veröffentlichung ist für 2015 geplant.

Für den KURIER und seine Leserinnen stellt Steffi Kock einige Passagen schon vorab zur Verfügung.

Im Dunkelland

"Samstag, der zweiundzwanzigste März.Ich liege mit dem Rücken auf dem Bett meines Hotelzimmers in Ascherslebenm, die Augen geschlossen, und sehe die Krebswelle auf mich zurollen. Mit aller Kraft stemme ich mich dagegen. Aber je mehr ich das tue, desto höher türmt sich die Monsterwelle in der Ferne auf. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis mich diese Wand aus Dunkelheit und Entsetzen mit sich reißt. (...) Heut ist ein schöner Tag, der erste richtige Frühlingstag in diesem Jahr, sagen meine Augen. Doch mein Verstand blockt die Empfindung kategorisch ab. In Dunkelland wirkt selbst Helligkeiit düster. (...) Ich bin froh, dass ich das Schreiben habe (...) Und das Singen. Das Singen hilft mir zu vergessen, das Schreiben zu verarbeiten. Ja, ich habe tatsächlich gesungen. Ichg habe gestern auf der Bühne gestanden. Und vorgestern. Heute werde ich wieder auf der Bühne stehen. Und morgen? An morgen mag ich nicht denken."

Steffi Kock schreibt, dass die Diagnose auf sie einwirke "wie eine tödliche Injektion". Sie schaut sich immer wieder Bilder operierter Brüste an, denkt über "Nipple Tattoos" nach, falls ihr eine Brust abgenommen werden muss. Der Gedanke, ein Teil von meinem Körper zu verlieren, erfüllt mich mit nackter Angst. Ich versuche diese Angst zu packen und sie in etwas Wundervolles zu verwandeln. Zum Beispiel in Kunst. Der Gedanke an Kunst hat etwas Beruhigendes.

Ablenkung

Die Arbeit, das Mitgefühl ihrer Kollegen tun Steffi gut und lenken sie ab. Doch ganz kann sie die dunklen Gedanken nicht verbannen. Irgendwann beginnt sie dagegen anzukämpfen. "Etwas in mir begehrt auf. Nein, das ist nicht wahr, denke ich trotzig und schaue tiefer in den Spiegel hinein, direkt in die trüben Augen der fremden Frau. Die Augen sehen aus, als wären sie blind. Aber sind sie es wirklich? Oder ist es nur der Spiegel, der mich in die Irre führt? Spieglein Spieglein. Ich sehe genauer hin, horche in mich hinein. Nein, das bin ich nicht. Ich bin anders. Ich bin nicht so. Ich gehe noch etwas näher an den Spiegel heran, fast berühre ich ihn mit meiner Nasenspitze. Ich treffe auf die Oberfläche und schaue in die Tiefe. Ich betrachte die Augen der Frau. Und sehe ein Leuchten, ganz schwach, aber es dennoch da. Ein kleiner, feuriger Funke. Ich möchte ihn entzünden. Ich möchte, dass er brennt und lodert und zu einem gewaltigen Feuer anwächst, das den Krebs in meiner Brust und mit ihm alle Einwohner von Dunkelland verbrennt. Heute Nacht werde ich ein wildes Feuer entzünden."

Ihre Gefühle - und Sichtweisen verändern sich. "Jetzt kehrt das Leben in mich zurück. Nein, ich bin nicht die Diagnose. Ich bin auch nicht die Befunde der Ärzte, ihre Urteile, Einschätzungen, Meinungen, Zahlen, Prognosen, ihre auf mich übertragenen Ängste, ihr lateinisches Fachvokabular, ihre gut gemeinten Ratschläge, nein das bin ich nicht. (...) Ich habe nichts zu verlieren. Aber alles zu gewinnen."

Worte einer Kämpferin

In der Phase vor ihrer Operation kämpft Stefanie Kock mit Stimmungsschwankungen. Sie wird immer wieder von Albträumen gequält. "Dr. Mephisto" verkörpert darin alles Negative. Doch die Schauspielerin und Sängerin glaubt auch an ihre Kraft. "Ich frage mich, wie ich zu diesem unliebsamen Mitbewohner gekommen bin. Ist das vielleicht eine Strafe? Eine Strafe dafür, dass ich das göttliche Programm der Fortpflanzung verweigert habe, um meinen Ego-Trip durchzuziehen? Ich wollte immer frei sein. Unabhängig. Mir von nichts und niemandem was sagen lassen. Jetzt werde ich abhängiger sein als je zuvor. Ich will das nicht! Verdammt noch mal! Ich will mein altes Leben zurück! Wütend hämmere ich meine Worte in das iPhone. Die Worte sind meine einzige Waffe. Die Worte sind mein Skalpell. Sie sind alles, was mir geblieben ist. Die Worte gebe ich nicht her."

Nach der Diagnose folgten schon bald eine subkutane Mastektomie, eine adjuvante dosisdichte Chemotherapie (ETC), die Stefanie Kock nun vor einer Woche abgeschlossen hat. Trotz ihrer Erkrankung stand sie in der Zeit der Chemotherapie immer wieder als Musicaldarstellerin auf der Bühne - u.a. auch als Solistin von "Die Nacht der Musicals" in Österreich und "Dreams of Musicals" in Deutschland. Und jetzt, wenn alles überstanden ist, wird sie weiter an ihrem Lebensbuch schreiben - und genießen.

Die Diagnose Brustkrebs verändert das Leben jeder Frau, jede bewältigt die Erkrankung anders. Sabine Wilde hat im Yoga einen Ausgleich zu den Belastungen der Krebstherapien gefunden. Wie sie ihre Erkrankung bewältigt hat, erzählt sie hier.

Schreiben, skifahren, Jakobsweg

Christine Hochgerner besiegte den Brustkrebs drei Mal und bewältigte ihre Erfahrungen schriftlich - aus ihren Kurzgeschichten wurde ein Buch. Hier erzählt sie ihre Geschichte. Gertrude Klabutscher hat trotz Brustentfernung wieder ein so positives Körpergefühl, dass sie auch ohne Brüste in die Sauna geht. Susi Safer führte auf ihrer Facebook-Seite ein öffentliches Bilder-Tagebuch über ihren Kampf gegen Krebs. Die Wienerin Heidi Pippan bewältigte indes nach der Diagnose per E-Bike den Jakobsweg. "Den Krebs hab’ ich dortgelassen", erzählt sie.

Erfahrungen machen Mut

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