Leben/Gesellschaft

Bodenständiger geht es nicht

Ungewaschenes Gemüse ist für Toshio Tanabe die reinste Inspiration. Wir teilen uns mit der Schildkröte den Salat, mit den Hühnern den Kukuruz und mit dem Schwein Essensreste. Nur an den Tisch der Pflanzen setzen wir uns nicht. Nicht einmal an den der noblen Artischocke oder des edlen Spargels. Wir füttern sie zwar in ihren Hochbeeten mit speziellen Erdcocktails, aber selbst davon zu kosten, kommt uns nicht in den Sinn.

Anders der japanische Spitzenkoch Toshio Tanabe. Er reicht zum Gemüse auch gleich dessen „Futter“. Seit 25 Jahren isst er immer wieder etwas Erde, wenn er frisch vom Feld gepflücktes Grünzeug verkostet. Allein deshalb, weil er nie mit Bürsten, Schälern und Schabern ausrückt, wenn er sich auf die Suche nach Karotten und anderen schmackhaften Wurzeln begibt.

Eine Einladung zu einer Kochshow brachte Spitzenkoch Tanabe den Durchbruch. Hoch war der Erwartungsdruck, der auf ihm lastete. Originelles sollte er zubereiten. Da kam ihm die zündende Idee. Er drängte das Gemüse zurück und stellte die Erde in den Mittelpunkt. Das Erdmenü war geboren.

Um regelmäßig in seinem Feinschmeckerlokal „Ne Quittez Pas“ in Tokio Erdmenüs anbieten zu können, brauchte es noch Recherchen in alten Kochbüchern, des Verkostens unterschiedlicher Erden und zahlloser Versuche am Herd. Heute ist Toshio Tanabe weltberühmt für seine Erdgerichte. Seine Gäste schätzen den speziellen einzigartigen Geschmack.

20 Kilo Erde verkocht Tanabe im Monat. Schwarze Erde für die schwereren Gerichte und helle für die leichteren. Sie kommt aus einem Gebiet, wo weder Landwirtschaft noch Industrie sie verschmutzen.

Der erste Schritt ist das Sterilisieren. Dafür schiebt Tanabe die Erde drei Mal bei 200 Grad in den Ofen. Anschließend wird sie eine halbe Stunde mit Wasser gekocht, stehen gelassen und abgeseiht. Die Schwebestoffe sinken ab. Die Flüssigkeit verwendet Tanabe dann für Gelees, Saucen und Suppen. Mit Erddressing veredelt er etwa Ruccolasalat mit Muscheln. Kartoffeln mit Trüffelfüllung sind in dunkle Erdsauce gehüllt. Mit Erde kann man eigentlich alles kochen, ist sich Tanabe sicher. Denn Erde ist natürlich und nahrhaft. Und billig. Für ein Kilo zahlt er 30 Cent, das kreative Drei-Gang-Menü bietet er für 80 Euro an.

www.nequittezpas.com