Leben/Gesellschaft

Blick in die Zukunft: Reiseziel Mars

Im Vorjahr wurde uns vom Weltbestseller "Homo Deus" eine gottgleiche Existenz prophezeit – dank immer intelligenterer Technologie. In 200 Jahren solle es soweit sein, dann werden Menschen und Roboter miteinander verschmelzen. Na, bumm, schauen wir mal. Wer vom gewagten Ausblick des Historikers Yuval Noah Harari fasziniert war, wird dieses Buch jedenfalls lieben: In "Werden wir auf dem Mars leben?" (Brandstätter Verlag) geben Dutzende heimische oder in Österreich wirkende Wissenschaftler wie der Genetiker Markus Hengstschläger, die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb oder der Verhaltensforscher Kurt Kotrschal Antworten auf diese und 32 weitere Fragen an die Zukunft – und bleiben mit ihren Antworten dennoch auf dem Boden.

Aber von Anfang an. Von "Kommt das Ende der Arbeit?" über "Werden Computer unsere Gedanken lesen?" bis zu "Werden wir alle Cyborgs?" sowie "Wird es Hotels im Weltraum geben?" reicht das Themenspektrum. Es geht also um mehr als um die Frage, was nach dem Smartphone oder dem nächsten gehypten Gadget für Nerds kommt. Hier geht es einfach um alles. Um das All und unser Leben – ein möglichst langes – darin.

Ray Kurzweil, Googles bald 70-jähriger Technikchef, ist ja der Ansicht, dass um das Jahr 2040 das natürliche Altern der Zellen ausgetrickst und so eine ewige Jugend erreicht werden kann. Liest der gute Mann womöglich zu viele Science-Fiction-Stories? Muss nicht sein. Auch Barbara Fischer vom Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung in Klosterneuburg hat sich über das „Regenerationspotenzial“ unserer Körperzellen Gedanken gemacht. Ein Alter von rund 120 Jahren gilt heute als Limit. Bei uns Menschen. Ein Blick auf die Tierwelt zeigt, dass mehr drin sein kann. Wesentlich mehr.

Galapagos-Schildkröten, so Fischer, erreichen "ein Alter von bis zu 190 Jahren und Grönlandhaie können vermutlich bis zu 500 Jahre alt werden." Noch ärger wird’s, wenn wir erst auf den Wurm kommen: Manche Plattwürmer altern etwa nicht "und sind in diesem Sinne sogar "unsterblich".

Fast beruhigend also, dass die Wissenschaftlerin meint, die Unsterblichkeit zu erreichen, sei momentan noch völlig undenkbar. Dennoch ist es realistisch, dass sich unser Lebensalter bei gesunder Verfassung "zukünftig weiterhin erhöhen wird." Die Forschung arbeitet daran,"steht allerdings erst am Anfang davon, die molekularen Zusammenhänge des Zellalterns überhaupt zu verstehen."

Reisen ins All

Was aber tun mit der gewonnenen Zeit? Länger arbeiten? Länger nichts tun? Oder dann lieber doch die Welt oder gar das Weltall bereisen? Alles ist möglich. Ein Ende der Arbeit kommt zwar nicht, wie an anderer Stelle erörtert wird. Denn diese wird zwar nicht weniger, aber dafür inhaltlich interessanter, da sie hilft, uns auf allen möglichen Gebieten weiterzubilden. So gesehen ist es nicht ganz aus der Luft gegriffen, seine Freizeit künftig mit speziellen Fernreisen zu verbringen: mit Reisen zum Mars. Die haben es wenigstens in sich.

Mission zum Mars

Eine derartige Mission dürfte mit An- und Abreise sowie einem einzuplanenden einjährigen Aufenthalt – damit einander die Umlaufbahnen von Mars und Erde wieder näher kommen – insgesamt zumindest zwei Jahre verschlingen. Zwei Jahre, von denen man lang erzählen wird können.

Der Vater der Kosmonautik

Klingt nach Zukunftsmusik, aber vielleicht nicht mehr lange. Unserem Forschergeist in es zu verdanken, dass wir seit jeher in die Gestirne blicken und uns einen Ausflug dorthin herbeifantasieren. Bei dem französischen Autor Jules Verne (1828-1905, "Reise um den Mond" ) war das noch pure Utopie. Der russische Amateurwissenschaftler Konstantin Ziolkowski (1857-1935) aber beschrieb als Erster, dass es auch technisch möglich ist, nach den Sternen zu greifen. Für den Begründer der Kosmonautik stand schon im Jahr 1903 fest, dass "die Erde die Wiege der Menschheit ist, der Mensch aber nicht ewig in der Wiege bleiben kann." Erst zwanzig Jahre danach sollte der k.u.k.-Raketenpionier Hermann Oberth das Buch "Die Rakete zu den Planetenräumen" veröffentlichen. Was Ziolkowski, der wirkliche Vordenker, vor 115 Jahren prognostizierte, scheint ab Mitte dieses Jahrhunderts einen Schritt weit Wirklichkeit zu werden: "Das Sonnensystem wird unser Kindergarten."

NASA mit Millionen Namen

Die NASA ist zwar zufrieden damit, wenn sie nach mehreren Sonden im kommenden Mai mit der SondeInSightzwei Mikrochips mit den Namen von Millionen Erdenbürgern zum Mars schickt. Tesla-Chef Elon Musk, die 46-jährige treibende Kraft hinter dem Elektroauto-Boom, will aber mehr. Viel mehr. Und vor allem viel rascher. Er ist seit bald 15 Jahren von einer bemannten Mars-Mission besessen. Nach mehreren Rückschlägen mit explodierenden Raketen soll eine erste unbemannte Falcon-Heavy-Rakete schon in vier Jahren sicher auf dem Roten Planeten landen. Bereits für das Jahr 2024, also in nur sechs Jahren, prophezeit Musk die riskante Reise der ersten Menschen zum Mars.

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Früher waren wir flotter

Die NASA hingegen sieht ihre Astronauten frühestens 2030 auf dem Mars. Erst. An anderer Stelle in „Werden wir auf dem Mars leben?“ wird daran erinnert, wie flott einmal alles gegangen ist: "Als John F. Kennedy 1961 einen bemannten Flug zum Mond ankündigte, waren diese Ideen visionär, viele Schlüsseltechnologien mussten noch entwickelt werden. Acht Jahre später wurde aus einem Traum Realität“, beschreibt die "Weltraum-Architektin“ Sandra Häuplik-Meusburger die Euphorie vergangener Tage. Ein Hochgefühl, das in den letzten Jahren durch die Präsenz europäischer, chinesischer und privatwirtschaftlich organisierter Raumfahrtorganisationen wie die ESA oder eben Elon Musks SpaceX neuen Auftrieb bekam. Die Frage "Wird es Hotels im Weltraum geben?“ beantwortet sie daher klar mit "Ja", denn: "Wir brauchen eine junge Generation, die große Träume hat."

Die Erde zu klein für uns

Träume, Visionen, Hoffnungen. Die sollte man auch haben, hegen und pflegen, um nicht dereinst von der Geschichte eingeholt zu werden. Denn die Zukunft der gesamten Menschheit sei aufs Engste mit dem Weltraum verbunden. Mit dramatischen Auswirkungen: „Letztlich ist die Erde zu klein und sind die Ressourcen zu gering für die wachsende Bevölkerung“, behauptet Carsten Scharlemann, der an der FH Wiener Neustadt den Studiengang Aerospace Engineering leitet. Anderer Ansicht ist die Meteorologin Helga Kromp-Kolb. Sie meint: "Wenn überhaupt, dann haben wir nur eine Zukunft auf dieser Erde, denn es gibt keinen anderen Ort in diesem Universum, von dem wir wissen, dass er dem Leben, wie es sich auf Erden entwickelt hat, zuträglich wäre."

Aber zurück zu Scharlemann. Er vermutet wie viele andere Wissenschaftler, „dass auf dem Mars einstmals günstige Bedingungen für die Entwicklung von Leben geherrscht haben.“ Als erdähnlichster Planet in unserem Sonnensystem gilt der Mars daher als beste Anlaufstelle für Visionen. "Er ist ungefähr halb so groß wie die Erde, hat eine dünne, hauptsächlich aus Kohlendioxid bestehende Atmosphäre und verfügt, wie wir inzwischen wissen, auch heute noch über Wasser. Für Menschen mit Visionen ist der Mars ein erster idealer Kandidat für eine Kolonisation."

Sprungbrett zum Mars

So gesehen, ergibt auch der Plan von Elon Musks Mondbasis durchaus Sinn – als Sprungbrett zum Mars. Denn, so Scharlemann: "Wie der Mond das Sprungbrett für eine Reise zum Mars sein wird, so wird der Mars die gleiche Funktion haben bei der Erforschung unseres Solarsystems und darüber hinaus. Es kann losgehen! Worauf warten wir noch?"

Elon Musk hat bereits davon fantasiert, 80.000 Menschen zum Mars zu transportieren. In der Realität hapert es bei seiner Automobilfirma schon bei der Produktion einer dritten Reihe nach den Typen Model S und Model X. Und in Wahrheit wird es mit der Besiedelung des zumindest 56 Millionen Kilometer entfernten Mars sehr langsam vorangehen.

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Kleinere Missionen mit vier bis sieben Forschern, eingezwängt in kleine Behausungen, werden einmal ausgiebig testen, wie sich das Leben und der Alltag auf einem anderen Planeten anfühlen werden. Ein Ausflug zu einem Zweitwohnsitz schaut jedenfalls anders aus.

Wir schaffen das

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Auch Prof. Wolfgang Baumjohann vom Space Research Institute in Graz ist davon überzeugt, dass der Mensch in wenigen Jahrzehnten auf dem Mars landen wird. Der aus Deutschland stammende Weltraumplasmaphysiker gilt mit mehr als 600 einschlägigen Arbeiten als einer der profundesten Experten der Materie und sieht für die FREIZEIT in die Zukunft: "Ganz so schnell wie etwa Elon Musk sich das vorstellt, wird es nicht gehen. Ich könnte mir folgenden Zeitplan vorstellen: Zwischen 2040 und 2050 wird der erste Mensch seinen Fuß auf den Mars setzen."

Eine Besiedelung des Weltraums hält Baumjohann für sinnvoll. "In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts wird es eine bemannte Station dort geben. So etwas wie die jetzige Internationale Raumstation ISS oder die neue, im Mondorbit geplante Station "Deep Space Gateway". Und: "Im nächsten Jahrhundert könnten echte Siedler den Mars erreichen."

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Aibo vs. Flocki

Astronauten, die dabei ein "Kuscheltier" mitnehmen möchten, werden vielleicht zu Sonys Roboterhund Aibo greifen. Für uns auf der Erde ist er kein echter Ersatz. Im Gegenteil. "Mit zunehmender Technisierung unseres Lebens", so Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal, "wird uns der Flocki aus Fleisch und Blut immer unentbehrlicher werden."

Die Welt von Morgen

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Expertenrat: Von Robotern im Haushalt bis zum ewigen Leben. Früher musste man bei Think Tanks wie dem MIT anklopfen, um zu erfahren, wohin die Reise in die Zukunft geht, jetzt genügt ein Blick in ein Buch aus Niederösterreich: Renommierte Wissenschaftler wie Genetiker Markus Hengstschläger, Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal und die Meteorologin Helga Kromp-Kolb geben so verständlich wie gut informiert Auskunft über unseren Alltag von morgen. Die vier Themenkapitel Politik & Gesellschaft, Natur & Umwelt, Mensch & Gesundheit sowie Alltag & Freizeit eint eines: statt blinder Technikeuphorie eine realistische Sicht auf unsere Zukunft.

Matthias Kafka, Paul Pennerstorfer (Hg.), Werden wir auf dem Mars leben? 33 Fragen an die Zukunft, Verlag Brandstätter, € 22,50