Leben/Gesellschaft

Was Kühe zu Überlebenskünstlern macht

"Bei jeder Begegnung mit Kühen ist etwas anderes da als das, was man sieht. Es ist eine besondere Nähe und eine besondere Ferne." Wenn Werner Lampert über Rinder redet, wird daraus eine Liebeserklärung. Mit allem drum und dran. Verbundenheit mit dem Montafoner Braunvieh, an dessen Seite der Bio-Pionier erwachsen wurde.

Respekt für die sibirischen Sacha, die Temperaturunterschiede von bis zu 100 Grad wegstecken. Bewunderung für die Ungarischen Steppenrinder, die die Städte Norditaliens 400 Jahre lang ernährten. Schwärmen für die afrikanischen Ankole, die die mächtigsten Hörner haben. Sorge um das Leben und Überleben einzelner Arten, die in der Leistungsgesellschaft und mit dem Klimawandel nicht zurechtkommen.

Entwicklung der Menschheit ohne Kühe unmöglich

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In seinem Buch "Unberührte Schönheit", das kürzlich bei Servus erschien, erklärt Lampert, dass "die kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Entwicklung der Menschheit ohne Rinder so nicht möglich gewesen wäre". Zwei Jahre lang arbeitete der gebürtige Vorarlberger an dem 416 Seiten starken Coffee Table Book (36 €). Und verwirklichte damit eine Idee, die sein Leben lang reifte. Es ist – wie der Untertitel ausführt – eine "Reise zu den ursprünglichen Kühen der Welt" geworden. Ein Lexikon der Wertschätzung, das bei der prähistorischen Entstehung des "Genus Bos" beginnt und das Zusammenspiel von Kuh und Mensch aufzeigt. Exklusive Fotodokumentation inklusive.

Seit 10.000 bis 12.000 Jahren leben Menschen mit Rindern, von Rindern und in manchen Gegenden auch für Rinder. "Rinder haben unsere Kultur aufgebaut", sagt der Tierschützer. In manchen entlegenen Regionen ist die Bindung zwischen Mensch und Tier immer noch stark ausgeprägt. Die majestätischen Ankole in Uganda zum Beispiel bestimmen die soziale Stellung ihres Halters in der Gesellschaft. Sie werden nicht verkauft, sie sind wertvolle Mitgift und Versöhnungsgabe. Und sofern ein Kalb in der Nähe ist, auch Milchlieferantinnen.

Angepasst an jeweilige Lebensbedingungen

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"Die indigenen Kühe sind robust und spezialisiert", führt Lampert aus. Die Sacha Ynaga in Jakuzien etwa haben sich an Winter mit bis zu minus 68 Grad angepasst. Ihr kompakter Körperbau und dichte, flauschige Behaarung, auch am Euter, ermöglicht es den Nachfahren der Ur-Rinder, den Energieverlust zu minimieren. Unter derart unwirtlichen Bedingungen geben sie Milch und ziehen ihre Kälber groß. Die M’Bororo dagegen halten der extremen Hitze und Dürre Burkina Fasos stand. Obwohl die Verwandten der Zebus beachtliche Strecken zurück legen können – vor der Ausdehnung der Sahara können sie nicht fliehen.

Europäische Rassen sind schon heute bedroht

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"Europäische Rassen sind schon alle bedroht", sagt der 69-Jährige, der sich seit vierzig Jahren für gesunde Bio-Lebensmittel und faire Konsumgüter einsetzt: "Durch die Einkreuzung leistungsfähiger Rassen, die noch mehr Milch und noch schneller besseres Fleisch liefern, ist es sehr schwierig, indigene Rinder zu halten." Von den vitalen Montafonern, die sich im steilen alpinen Gelände sicher wie Gämsen bewegen, gibt es nur noch ein paar hundert Exemplare. Von den heimischen Pinzgauern, deren kastanienbraunes Fell mit dem weißen Band am Rücken ultraviolette Strahlen in hohem Maß abweist, sind nicht mehr als 5000 reinrassige Originale registriert.

"Es ist ganz wichtig, diese Rassen zu bewahren", sagt Lampert. Nur die Überlebenskünstler werden in der Lage sein, die Anforderungen der nächsten Jahrzehnte zu bewältigen. Der bekennende "Kuhfreund" ist überzeugt: "Eines Tages werden Rinder unsere Ernährung sichern und unser Leben retten."