Leben/Gesellschaft

Bildungsfrieden statt Gezänk

Die Initiatoren des Bildungsvolksbegehrens um Ex-SP-Vizekanzler Hannes Androsch haben die Parteien, allen voran SPÖ und ÖVP, am Mittwoch dazu aufgefordert, nach den Nationalratswahlen einen „Schul- und Bildungsfrieden“ zu schließen. In Österreich herrsche seit 450 Jahren ein Krieg „einerseits um den Glauben, andererseits um Ämter und Fortkommen“, so der ehemalige steirische VP-Landesschulratspräsident Bernd Schilcher. Nun sei es Zeit, ähnlich dem Augsburger Religionsfrieden eine Liste der dringendsten Fragen zu verfassen und Punkt für Punkt abzuarbeiten.


Wenn die ÖVP im Wahlkampf mit Slogans wie „Zwangstagsschule“ und „Zwangskindergarten“ gegen Reformpläne mobil mache, „merkt man, welcher reaktionäre Geist hier herrscht“, so Androsch bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die Initiatoren würden den Wählern eine bessere Entscheidungsgrundlage für die Nationalratswahl geben wollen, eine Wahlempfehlung gab Androsch unterdessen nicht ab - auch nicht für die Grünen, obwohl er im Unterstützungskomitee für deren Bildungssprecher Harald Walser sitzt. „Die Wähler sind kundig genug, sich selbst ein Bild zu machen“ - und bei der Entscheidung für eine Partei gehe es ja nicht nur um Bildung.

Reibebaum Neugebauer

Klar sei allerdings, dass es für eine Bildungsreform nach der Wahl entweder eine neue Konstellation brauche oder einen Kurswechsel in der ÖVP, in deren Basis allerdings ohnehin bereits eine „Fluchtbewegung“ gegen den von oben verordneten Kurs eingesetzt habe, betonte Schilcher. Noch immer werde in Regierung und Parlament nicht nach Lösungen gesucht, sondern es würden „Bekenntnisse abgelegt“, verwies er auf Parallelen zum 1553 begonnenen Streit von Katholiken und Protestanten um die Vorherrschaft im Bildungswesen, der von den Parteien nahtlos in den Reichsrat und bis in die heutige Zeit übernommen worden sei. Dabei spiele GÖD-Chef Fritz Neugebauer in der ÖVP die Rolle des „Chefinquisitors“.


Freilich sei andererseits auch die SPÖ in ihrer Rolle als „linke Lordsiegelbewahrer des freien Unizugangs“ zu kritisieren. Die Partei akzeptiere, wenn ein Monat im Kindergarten 100 Euro kostet, 360 Euro Studiengebühren pro Semester seien aber undenkbar, kritisierte Schilcher. Androsch schlug in dieselbe Kerbe: An den Fachhochschulen gebe es Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen und dort funktioniere es. Lob gab es von Schilcher indes für die NEOS, deren Bildungsprogramm den Vorstellungen des Bildungsvolksbegehren sehr nahe kämen.

Eltern sollen revoltieren

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Der Lehrer und Buchautor Nikolaus Glattauer glaubt unterdessen nicht mehr daran, dass eine politische Reform des Bildungswesens möglich ist und forderte indirekt zu einer Revolution der Eltern auf. Die Konzepte, wie Schule verbessert werden kann, würden ohnehin in den Laden liegen. Dabei setzt Glattauer auf einen Ausbau der Ganztagsschule, für die der Bedarf weit größer sei als das Angebot, und plädierte „gegen die Trennung von Volksschülern“. Für Unternehmensberaterin Gundi Wentner sind jene Parteien, die gegen mehr Ganztagsschulen sind, für Frauen gar unwählbar, da diese mangels qualitativ hochwertigen Angeboten Lebensqualität, Autonomie und Karriere hintanstellen müssten.


Ex-Schuldirektorin Christa Koenne trat für einen professionell von Außenstehenden moderierten „Prozess der Veränderung“ ein, „sonst kommen wir aus den festgefahrenen Vorstellungen nicht heraus.“ Dass es dabei jede Menge Handlungsbedarf gibt, stehe außer Frage: Die Kinder, die Arbeitswelt und der Wissenszuwachs seien anders als früher. Ihr Lösungsvorschlag: Eine Neuorganisation der Schulzeit ohne 50-Minuten-Einheiten sowie eine andere Einteilung der Ferien, die aus der Zeit stammen, als Kinder als Erntehelfer eingesetzt wurden. Schulen dürften außerdem kein Ort mehr sein, den Schüler und Lehrer so schnell wie möglich wieder verlassen wollen.