Leben/Gesellschaft

Sie kamen übers Meer

An einer Wand neben seinem Schreibtisch hat er Bilder seiner Ausstellung angebracht, und daneben eine Zeichnung seiner jüngeren Tochter: Ein kleines Boot fährt auf dem Meer. Das Thema lässt den Wiener Werbe- und Porträtfotografen Markus Thums nicht mehr los.

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Vor weniger als einem Monat hat ihn ein Foto, das damals auf Facebook die Runde machte, schockiert: "Auf dem Foto war ein Mädchen zu sehen, vielleicht zwei Jahre alt, so wie meine Tochter. Das Mädchen schwamm im Meer. Es war tot." Er wollte dann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Er fühlte Ohnmacht. Und Wut. Er wollte nicht länger "beim Sterben zusehen", wollte helfen, mit den Mitteln, die er beherrscht.

Zu Gast bei Ute Bock

19 Menschen, ohne Ausnahme Männer, alle Bootsflüchtlinge, die vom Verein von Ute Bock betreut werden, erklärten sich spontan bereit, vor seine Kamera zu treten und dabei viel von ihrer Gemütslage preis zu geben.

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Die 19 Fotos sind vorerst nur Donnerstagbend (28. Mai) im Werkstätten- und Kulturhaus in Wien zu sehen. "Ein Foto wurde bereits nach Los Angeles verkauft", freut sich der freiwillige Helfer. Weitere Verkäufe sollen folgen. "Der Reinerlös geht zu hundert Prozent an den privaten Hilfsverein von Frau Bock." 19 ist bemerkenswert! Jeder einzelne Porträtierte ging mit dem Foto ein Risiko ein. Denn es ist bei Weitem nicht so, dass die lebensgefährliche Odyssee in Wien zu Ende wäre. Österreich, wissen die 19 längst, ist nicht der sichere Hafen, auf den sie gehofft hatten. Werden sie abgeschoben, war alles umsonst.

"Dann seid ihr tot!"

Dabei haben sie viel hinter sich. Sie mussten zuerst tagelang, wochenlang durch die Sahara marschieren, mit Durst, Hunger und der Todesangst als Begleiter. Sie mussten im Laufe ihrer Flucht ihr ganzes Erspartes und auch das Ersparte von Freunden und Angehörigen an dubiose Helfer aushändigen. Jullow, der Mann aus Guinea, der sich mit seiner in Wien geborenen Tochter fotografieren ließ, hat dem Fotografen erzählt, wie diese dubiosen Helfer agieren. Sie hatten von einem großen Schiff erzählt. Doch als er mit den anderen Verzweifelten in einer dunklen Nacht zur Ablegestelle gebracht wurde, war das Schiff kein Schiff, sondern ein arg ramponierter Kutter. Hatte er in diesem Moment eine andere Wahl? "Man hat uns gedroht: Wenn ihr nicht einsteigt, dann seid ihr tot!"

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Markus Thums hat zwei Tage lang im Flüchtlingshaus von Ute Bock fotografiert, dabei auch einiges für sein eigenes Leben gelernt: "Mich hat die positive Lebenseinstellung der Männer beeindruckt. Ich dachte zuvor, dass ich große Probleme zu lösen habe. Aber da hat sich so manches relativiert."

Wider das Klischee

Die Bilder, die er produziert hat, sind auch Bilder wider das Klischee: "Ich hatte mir zuvor ausgemalt, dass ich mit gebrochenen Menschen zu tun haben werde, aber das sind sie gar nicht." Ohnmächtig fühlt er sich weiterhin, wenn er den Umgang seiner Landsleute mit den Flüchtlingen beobachtet: "Da feiern wir uns als die weltoffenen Brückenbauer bei einem Song Contest, der Millionen gekostet hat, und gleichzeitig lassen Minister und lokale Politiker in diesem Land zu, wie Menschen in Zelten ohne Heizung frieren. Ehrlich gesagt, für dieses Österreich geniere ich mich."

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Markus Thums wird an der Ausstellung heute Abend keinen Cent verdienen, im Gegenteil, er hat eigenes Geld zum Gelingen beigesteuert. Weil über das Schicksal der "Boatpeople" oft genug nur abstrakt berichtet wird (mit Zahlenangaben über Tote oder Gerettete), möchte er am Thema dranbleiben. Dabei möchte er jenen ein Gesicht geben, die das Pech hatten, im Krieg, in Armut aufzuwachsen. Gerne würde er seine Fotos auch an anderen Orten zeigen. Er hofft dabei auf ebenso Schockierte.

Der Fotograf

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Markus Thums lebt und arbeitet als Werbe- und Porträtfotograf in Wien. Soziales Engagement ist ihm nicht fremd. Unter anderem hat er für Kampagnen der Caritas, des St. Anna-Kinderspitals und des Flüchtlingshilfevereins von Ute Bock fotografiert. Mehr über Thumshier.

Seine Ausstellung

Seine Ausstellung "Boatpeople" ist vorerst nur am Donnerstag, 28. Mai, ab 19 Uhr im WUK (Werkstätten- und Kulturhaus) in 1090 Wien, Währinger Straße 56, zu sehen. Im Projektraum werden nicht nur Ute Bock und Emanuel Hinter- bauer sowie die langjährige KURIER-Redakteurin und Autorin Livia Klingl sprechen, sondern auch Porträtierte von ihrer Flucht erzählen. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung wäre von Vorteil: event@super-market.at. Der Reinerlös der verkauften Bilder kommt dem Verein zugute.

Cup der guten Hoffnung

Am Sonntag, dem 31. Mai 2015, wird auch wieder für den guten Zweck Fußball gespielt. Zum siebenten Mal laden die "Freund*innen der Friedhofstribüne" und der Wiener Sportklub in ihr Stadion nach Dornbach, wo ab 10 Uhr der

"Ute Bock Cup" ausgetragen wird. Auch heuer spielen 32 Teams unterschiedlicher Herkunft um drei Trophäen. Dazu viel Genuss und Musik, unter anderem mit 5/8erl in Ehr’n, Kommando Elefant, Yasmo & Mieze Medusa, Zuckergoscherl, I-Wolf Sound System feat. MC Marinba Stone sowie pauT. Außderdem an den Plattentellern: DJ Functionist, Katharina Seidler, FreakA & Okim (Lost in Bass), Hadi Sound und Valesta.

Mehr Infos hier.