Leben/Gesellschaft

Atemberaubend: Die Abenteuer der Extremsportler

Vor Energie strotzend federt Gerhard Gulewicz über das Startgelände beim Race Across America 2011. "Ich fühl’ mich wie vor einem Boxkampf", sagt er. Er war bereits Zweiter und Dritter, heuer will er gewinnen. "Für mich ist das wie Weihnachten. Es ist wie ein Droge, ich muss es einfach tun." Die Szene fängt Sascha Köllnreitner ein, sie steht am Anfang der Film-Doku "Attention – A Life In Extremes", der ab 26. September zu sehen ist, über das ganz normale Leben dreier Extremsportler: Apnoe-Taucher Guillaume Néry, Wingsuit-Flieger Halvor Angvik – und Gulewicz.

Köllnreitner bleibt dran. Sieben Tage und nur sechs Stunden Schlaf später ist vom Helden in Radlerhosen wenig übrig. Ein stammelndes Wrack taumelt durchs Bild, kann zeitweise keine Nahrung behalten, legt sich mit Betreuern an, die ihn abwechselnd anfeuern ("Super, Gerhard") und ermahnen ("Bist aufnahmefähig? Keine Spompanadln mehr"). Er läuft Gefahr auf die Gegenfahrbahn abzudriften. Köllnreitners Kamera ist in den intimsten Momenten dabei. "Das war extrem mutig vom Gerhard", sagt Regisseur Köllnreitner, der seine Darsteller als vielschichtige Persönlichkeiten kennengelernt hat, "denen geht es nicht nur um den Kick".

Bilder: Extremsportler vor der Linse

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Reifer Held

Gulewicz ist der Star von Köllnreitners Filmarbeit, und mit 47 ein reifer Held. Der steirische Ex-Bodybuilder unterwirft seinen Körper täglich einem mörderischen Training, um den Strapazen der 5000-Kilometer-Strecke quer durch Amerika gewachsen zu sein. Als extrem sieht er sein Tun freilich genauso wenig an wie die übrigen Extremsportler. "Für ihn ist das Büroarbeit", erzählt Köllnreitner, "was sie vom Normalbürger unterscheidet, ist, dass sie ihre Leidenschaft ausleben und es geschafft haben von ihr und für sie leben zu können." Davon handelt der Film.

Guillaume Néry, 32, geboren in Nizza, braucht nur einen Atemzug auf dem Weg in die Tiefe. "Der Ozean ist ein feindlicher Ort. Ich kann das nicht ändern, ich muss mich daran gewöhnen", sagt er. 2002, im Alter von 20 Jahren, gelang Néry der Weltrekord mit einer Tauchtiefe von 87 m ohne Sauerstoffflasche. 2011 wurde er mit 125 m Weltmeister. Trotz dieser Leistungen gelingt ihm der finanzielle Durchbruch erst mit einem Video. Der YouTube-Hit "Free Fall" (19 Millionen Clicks) macht ihn zum Star. Logisch: Nur wer in der von sozialen Medien ausgelösten Bilderflut noch eins draufsetzen kann, hat die Chance aufzufallen.

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Halvor Angvik, von Beruf IT-Techniker, verlässt seine Komfortzone und streift einen fledermausartigen Flügelanzug über. Der 34-jährige Norweger stürzt sich überhängende Felswände hinunter und rast mit 250 km/h unter Baumkronen den Erdboden entlang. "Von einem Felsen springen erscheint mir nicht extrem. Extrem wäre es, drei Kinder und einen Hund zu haben. Es wäre eine Schande, etwas nicht zu tun, nur weil es riskant ist." Vernünftiger wäre es allerdings. 18 Prozent der Basejumping-Unfälle enden laut dem Schweizer Bergarzt Bruno Durrer tödlich. Erst am Samstag ist in der Schweiz der Chilene Ramon Rojas Rekordhalter im Basejumpen, im Alter von 35 Jahren bei einem Wettbewerb gestorben.

Beim Klettern und Bergsteigen enden 12 bis 14 Prozent tödlich. Angst? Ein Freund Angviks legt die Hand aufs Herz und ahmt lautmalerisch seinen beschleunigten Puls nach: "Dukduk".

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KURIER: Warum haben sie gerade diese drei ausgewählt?
Köllnreitner: Alle drei sind sehr vielschichtige Charaktere, Angvik (Wingsuit-Flieger, Anm.) habe ich in einem Blog entdeckt, wo ihm vorgeworfen wurde, wie verrückt das ist, was er macht. Er hat darauf lang und intelligent geantwortet. Sein Brotberuf und sein ruhiger Charakter passen so gar nicht zu seinem Hobby, und ich wollte Menschen begleiten, die nicht so stereotyp sind wie man das erwarten würde.

Wie sieht der Alltag als Extremsportler aus?
Strukturiert. Angvik zum Beispiel steht auf, isst sein Müsli, trainiert, geht arbeiten, trainiert. Jeden Tag. Auf diesem Niveau muss das so sein. Das können keine Outlaws sein, die tun und lassen was sie wollen. Einmal beim Race Across America dabei gewesen zu sein ist spektakulär, aber auf der Strecke ist es auch langweilig.