Leben/Gesellschaft

Sex und Essen wie die Franzosen

Die dreifache Mutter aus den USA mit ihrer Familie lebt in Paris und beobachtete jahrelang französische Eltern beim Erziehen. Im vergangenen Jahr landete sie mit den Erzählungen aus ihrem Alltag einen internationalen Bestseller "Warum französische Kinder keine Nervensägen sind". Jetzt formuliert sie in ihrem neuen Buch „Was französische Eltern besser machen“ ihre Erkenntnisse in 100 Tipps.

Ein Grundpfeiler französischer Erziehung ist der „cadre“, ein Rahmen oder Gerüst als Symbol, innerhalb dessen Kinder frei entscheiden können. Das wird von allen Erziehungsberatern weltweit betont. Die Franzosen scheinen dabei aber größere Gemeinsamkeiten zu haben als Familien in anderen Ländern. So wird dem Thema Essen allgemein eine große Bedeutung beigemessen. In fast jedem Haus gilt die Regel „Bei jeder Mahlzeit sollst du von allem probieren, aber du musst nichts aufessen.“

Der KURIER fasst die Themen des neuen Buches zusammen:

Bewahren Sie sich Ihren Sex-Appeal
Französische Elternzeitschriften zeigen Fotostrecken mit Schwangeren in Spitzenunterwäsche und geben Tipps für guten Sex. Und ihre Leserinnen bemühen sich, auch als Schwangere und als Mutter „chic“ zu bleiben. Schließlich wollen sie sich nicht von einer „femme“ in eine „maman“ verwandeln, sondern beides sein. „Keine Mutter läuft in Jogginghosen herum“, beobachtet Druckerman zumindest in ihrem Umfeld. Und so wie bei einem neu gewählten Politiker geben die Eltern ihrem Kind 100 Tage Zeit. Danach wollen sie auch wieder Raum für ihre eigene Beziehung schaffen.

Familien-Rhythmus für alle
Relativ schnell bemühen sich französische Eltern, ihr Kind an die Essenszeiten der Familie zu gewöhnen. Auch beim Schlafen setzen die Franzosen auf Routine: Mütter bekommen ihre Lorbeeren nicht für Nicht-Schlafen sondern für Gut-Schlafen. Ein französisches Babybuch rät, sogar das Baby für die erste durchschlafene Nacht besonders zu loben. Auch wenn es noch nicht sprechen kann, wird es diese Leistung würdigen. Ein- und Durchschlafen zu können ist etwas, das man braucht, um Teil einer Familie zu sein. Am besten gewöhnt man sich daran in den ersten vier Lebensmonaten, denken die Franzosen.

Essen stärkt den Geschmack und die Beziehung
„Die fünfjährige Französin von nebenan misst die richtigen Mengen Öl, Essig, Senf und Salz ganz alleine ab, um daraus die Vinaigrette für den Salat der Familie zu rühren“, schreibt Druckermann. Franzosen zelebrieren das Essen mit den Kindern, auch die Vorbereitung. Frühstück, Mittag- und Abendessen – und am Nachmittag gibt es ein „gouter“. Das ist der traditionelle Moment für etwas Süßes. Weil die Kinder sonst eher gesund essen, dürfen sie zur Jause etwas Leckeres haben. In Maßen.

Die Mahlzeiten werden gemeinsam, beim Tisch, ohne Fernseher gegessen. Als Vorspeise ein Gemüse, danach eine Hauptspeise und als Nachspeise Joghurt, Käse oder Obst.

Kinder müssen Geduld lernen
„Ein Grund dafür, dass Familienleben in Frankreich viel ruhiger ist, liegt darin, dass die Eltern hier so viel Wert auf Geduld legen. Die Fähigkeit zu warten – und damit verwandte Dinge wie Frustrationstoleranz und Belohnungsaufschub –, ist in ihren Augen nichts, mit dem Kinder schon geboren werden“, schreibt Druckerman. „Französische Eltern bringen ihren Kindern deshalb Geduld genauso bei wie später das Radfahren.“

Kinder, deren Eltern ständig nach ihrer Pfeife tanzen, werden leicht zu kleinen Tyrannen - in Frankreich geschichtlich bedingt „enfant roi – Kind-König“ genannt. „Ein Kind braucht sowohl Liebe als auch Frustration, um seine Persönlichkeit zu entwickeln“, betonte daher ein französischer Erziehungsexperte. Eltern bringen ihren Kindern daher früh bei, dass sie niemanden beim Reden unterbrechen sollen – „Attends!“. Dafür unterbrechen sie die Kleinen auch nicht.

Eltern müssen loslassen
Französischen Mütter sind der Ansicht, es sei für ein Kind belastend zu glauben, es sei der einzige Quell von Glück und Zufriedenheit seiner Mutter. Sie gehen nicht nur ihren Interessen nach, sie betonen es auch gegenüber ihren Kindern. „Wenn ich bei ihnen bin, gebe ich hundert Prozent, aber wenn ich frei habe, habe ich frei“, zitiert Druckerman eine Französin.

Auch die Kinder bekommen manchmal frei von ihren Eltern. So ist es in Frankreich üblich, dass Kinder schon im Alter von fünf oder sechs Jahren eine Klassenreise ohne Eltern machen. Zumindest ein langes Wochenende bei Großeltern gehört dazu, rät ein französischer Kinderpsychologe: „Wenn es gut läuft, kommt er schlauer zurück“, sagt er über den kleinen Sohn. „Sie werden ihn verändert finden, er wird gelernt haben, sich wie ein großer Junge zu benehmen. Er wird an Unabhängigkeit gewinnen.“ Und die Eltern können die Zeit nützen, um sich anderen französischen Genüssen hinzugeben.

Was französische Eltern besser machen
100 verblüffende Erziehungstipps aus Frankreich
Mosaik Verlag
15,50 Euro