Kultur

Zwei Koreas zeigen ein Gesicht

Mir schien, dass Italiener und Koreaner eine gute Gemeinsamkeit haben: Streiten und sich versöhnen können“, erklärt Luca Faccio.

Als der aus Genua stammende, in Wien lebende Fotokünstler und Journalist 2005 erstmals in Nordkorea unterwegs war, begann er, die Grenzen der Verständigung auszuloten. Er wollte nicht nur die sattsam bekannten Monumente und Kulissen ablichten, die ihm die vom Regime in Pjöngjang bestellten Führer zu fotografieren erlaubten.

„Ich habe mir langsam Vertrauen aufgebaut“, erzählt Faccio dem KURIER in seiner gestern, Dienstag, eröffneten Ausstellung „Common Ground“ im Wiener Künstlerhaus (bis 23. 2., Katalog 38 €). Insgesamt sechs Mal reiste Faccio nach Nordkorea – und brachte Bilder mit, die im Vergleich zur vom Regime sanktionierten Bildwelt sensationell anmuten: Da dürfen uniformierte Jugendliche auch einmal auf einem Platz herumlungern, Generäle leer in die Luft starren und die Teilnehmer einer Massenchoreografie aus der Reihe tanzen.

Luca Faccio: Common Ground

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Gemeinsamkeiten

In der mit dem Kurator Lucas Gehrmann gestalteten Schau im Künstlerhaus präsentiert Faccio seine Nordkorea-Bilder Seite an Seite mit Aufnahmen aus Südkorea – in einer Weise, die die kulturellen Gemeinsamkeiten auf der seit 1953 geteilten Halbinsel in den Fokus rücken soll.

Oft sind die Bilder in Paaren gehängt, eine Beschriftung fehlt – die Frage „Nord oder Süd?“ müssen die Betrachter selbst beantworten.

In manchen Fotos sind die Spuren der Konsumgesellschaft im Süden unübersehbar: Jugendliche spielen hier in Rockbands oder stehen vor einer Werbetafel für den „Wonderbra“. Im Norden sind die Abgebildeten dagegen den Riten des Führerkults unterworfen.

Doch da wie dort gibt es Sinn für das Monumentale, das Autoritäre, das Militärische. Hier wie dort begeistern sich Menschen für Tänze, für Spektakel und für Fußball. Und auf beiden Seiten der Grenze schauen Menschen mit Gefühlen, Freuden und Sorgen in die Kamera.

Extreme Bedingungen

„Es ging mir nicht um Sozialpornografie, sondern darum, das Leben eines Volkes in einer extremen Situation zu zeigen“, sagt Faccio. Dass jene Nordkoreaner, die ihm seine Aufnahmen ermöglichten, wegen unangenehmer Fotos ein ernstes Problem bekommen könnten, sei ihm bewusst. „Ich habe das Vertrauen nicht ausgenutzt.“

Faccios Blick auf Südkorea ist nicht weniger kritisch und auch nicht weniger empathisch als jener auf den autoritären Staat im Norden.

Bewohner beider Länder haben nach wie vor Verwandte jenseits der Grenze. In einem Film, der in der Schau gezeigt wird, sprechen Koreaner beider Staaten darüber – und wünschen sich eine Wiedervereinigung. „Es ist eine Utopie, aber eine realistische“, sagt Faccio.

Wenn die beiden Länder wieder zusammenfänden, wären die Nordkoreaner, die nie etwas anderes als die Diktatur erlebt haben, allerdings am schwersten dran, glaubt er. „Das erste, was man dann hinschicken soll, sind Psychiater. Und dann Brot.“