Zwei Knallchargen und ein musikalischer Melancholiker
Helene Fischer spielt "eine relativ bedeutende Rolle". Conchita Wurst kommt nicht vor. Der Kapitän der Costa Concordia schon. Und eine romantische Koloskopie.
Hoch absurdes Theater, von der "Realität entkoppelt", ein "Kammerspiel mit Musik" soll das Programm "Für die Eltern was Perverses" (ab 5. 11. im Rabenhof) der Spaßguerilleros Dirk Stermann und Christoph Grissemann und "Naked Lunch"-Frontman Oliver Welter sein. Mit drei Männern am Rand des Nervenzusammenbruchs. Als wär’s ein Stück von Samuel Beckett, der einmal gestand, er komme sich vor wie nicht wirklich geboren.
Denn was erwartete ihn auf der Welt? Ein Leben, das ein Sterben war. Ein Anfang, der ein Ende war. Und der "grinsende Dreck" der menschlichen Gattung.
"Ich glaube, wir sind sprachlich präziser", sagt Stermann im KURIER-Gespräch "in einer Art grundfröhlicher Resignation. Und diese Grundstimmung transportiert auch das Stück. Nur gibt’s bei uns nicht so viel Blabla wie bei Beckett."
Spätestens jetzt verdichtet sich der dringende Verdacht zur Gewissheit: Die schrägen Entertainer aus der ORF.nacht veräppeln alles und jeden. Der Musiker Oliver Welter gibt einen rauchenden, trinkenden, masturbierenden menschlichen Plattenspieler. Grissemann: "Das sind Olivers Kernkompetenzen."
Und was ist pervers? "Es gibt bizarre Perversitäten. Dass, wie wir erfahren haben, Johannes B. Kerner für einen Gala-Auftritt als Moderator 125.000 Euro bekommt", sagt Stermann. "Das ist pervers. Künstlerisch ist nichts pervers. Da geht alles."
Trio-Konstellation
"Dass wir Knallchargen des TV mit dem größten musikalischen Melancholiker des Landes, Oliver Welter, zusammenarbeiten", so Grissemann, "kann man als perverses künstlerisches Unterfangen bezeichnen, das sich aber ganz gut ausgeht."
Der Abend beweise: Die größte Komik steckt in der Melancholie. "Unterstützt durch Olivers Gejaule. Was wir versuchen, ist Michael Niavarani im Kleinen gedacht: Der hat sich Shakespeare vorgenommen – und schon vor der ersten Vorstellung 25.000 Karten verkauft. Wir nehmen uns Beckett und Eugène Ionesco vor und haben im Vorfeld 800 Karten verkauft."
Böse, morbid, notorisch brachial: Das sind Stermann & Grissemann als Duo der schamlosen Unterhaltung im Kabarett mit dauernder Aufenthaltserlaubnis an der Grenze zur Geschmacklosigkeit. "Sonst erzählen wir Witze und streiten uns dazwischen", sagen die Pointenschleuderer. "Diesmal ist es eine Art resignativ-traurig-humoriges Geplänkel."
Theater wie Radio
Das Trio stand 2012 in Fritz Ostermayers Grazer Theaterproduktion "Aus-Schluss-Basta oder Wir sind total am Ende" auf der Bühne; damals entstand die Idee eines gemeinsamen Abends.
Grissemann: "Wenn man die Augen schließt, kann man es auch als Hörspiel aufnehmen. Das ist auch unser größtes Plus: Wir drei verfügen über recht gute Stimmen, während unser schauspielerisches Talent überschaubar ist. Die Augen zu schließen, wäre daher für dieses Theatererlebnis nicht schlecht."
Samuel Beckett fand, in der Kunst sei alles gesagt, es gehe nur noch darum, es kürzer zu sagen. Also sagte er es kürzer. In seinen großen Stücken reduziert er das Drama auf seine Parodie:
Menschen erwachen, warten, plappern, essen was, erinnern sich, vergessen, schlafen wieder ein.
Am Ende wollte Beckett gar nichts mehr sagen. "Unser Schlussbild geht in diese Richtung", so Stermann, "es ist kein Aufruf, etwas zu tun, sondern das, was ist, einfach hinzunehmen."
Und ist Selbstmord eine Option? "Im Stück ja." – Nachsatz im einigen Trio: "Auch im Leben." Stermann: "Suizid ist immer eine Option, aber ich bin dagegen, ihn zu praktizieren. Weil man dem Chaosprinzip Leben dadurch Chancen nimmt. Ich glaube, man kann sich selbst in der Depression noch massiv verwandeln."
"Für die Eltern was Perverses" sei das Gegenteil von einem Mario-Barth-Auftritt. Grissemann: "Gott sei dank sind wir diesmal unserer TV-Arbeit enthoben, unter Schlagfertigkeitsdruck billige Pointen in die Runde zu werfen. Im Rabenhof können wir einmal pointenfrei, aber trotzdem amüsant daherplappern."