Kultur

Zum Aufhängen ist der Einzelne gut genug

Der Innsbrucker Bernd Schuchter hält den Dreißigjährigen Krieg fest. Sehr fest hält er ihn, so hätte man schon in der Schule über Kriege reden sollen, und man sieht die Elenden, die Verhungerten, Vergewaltigten, Gefolterten. Diese Bilder treffen auf die Weltkriege und den Terror der IS genauso zu.

Einen Mitwirkenden lässt Schuchter hervortreten.

Und bemüht sich, ihn so zu lassen, wie die Biografen ihn gesehen haben. Schuchter gibt ihm sozusagen keinen bzw. wenig Schuchter mit. Kann man gut finden. Ist trotzdem schade.

Ein einziges Gefühl erwähnt er bei Jacquet Callot mehrmals: Callot friert ständig. Wahrscheinlich haben damals die meisten gefroren.

Viele auch, weil sie selbst schrecklich kalt waren.

Das passt auch zu Callot (1592 – 1635), dem berühmten Kupferstecher aus Nancy. Damit sein Radierzyklus "Die großen Schrecken des Krieges" nicht vergessen wird, ist er kürzlich im Limbus Verlag in Buchform wiederveröffentlicht worden. Kostet nur 20 Euro; und ist es wert, weil hier die einfachen Leute – Soldaten, Bauern, Bürger – gezeichnet wurden.

Zu einer Zeit, in der der Einzelne gar nichts zählte.

Keine Kritik

Allerdings zählte das Individuum bloß so viel, dass man einen ganzen Baum mit ihnen – mit Gehenkten – schmücken konnte.

Callot hat ein derartiges Bild gestochen. Aber nicht, weil er damit Kritik üben wollte. Nicht, weil er die Sinnlosigkeit der damaligen Gräuel (= so alltäglich wie die menschliche Notdurft, schreibt Schuchter anschaulich) darstellen wollte.

Nur um sein Können zu beweisen. Um zu demonstrieren, dass sogar in stecknadelkopfgroßen Figuren ein Callot steckt. (Es gibt Kupferstiche und Radierungen mit Tausenden Figuren, und alle sind erkennbar von Callot).

Man friert.

Bernd Schuchter hat den Lothringer porträtiert: "Jacques Callot und die Erfindung des Individuums" will mit dieser Person und seinen Werken zeigen, wie dünn die Schicht war und ist, die uns von Barbaren trennt.


Bernd Schuchter:
Jacques Callot und die Erfindung des Individuums
Braumüller Verlag.
160 Seiten. 18 Euro.

KURIER-Wertung: *** und ein halber Stern