Es ist Lust, nicht Ehebruch
Von Peter Pisa
Wieso schon wieder das Selbstmordattentat in Jerusalem mit der Bombe im Bus, geschehen 2004, zehn Menschen starben?
Zeruya Shalev war damals mit dem Auto unterwegs, die Druckwelle warf sie auf die Straße. Sie wurde schwer verletzt.
Im vorangegangenen Roman "Für den Rest des Lebens" kommt dieser Terror vor, und er führte dazu – im Buch wie im Leben –, dass ein Waisenkind adoptiert wurde: Die berühmteste israelische Schriftstellerin wollte dem Tod etwas entgegensetzen.
Leben.
In ihrer neuesten Familiengeschichte "Schmerz" ist der Selbstmordanschlag erneut ein Thema. Eine Frau namens Iris war vor zehn Jahren Opfer, und es wird untersucht, ob ihre zertrümmerte, vernarbte Hüfte samt vieler Operationen mehr weh getan haben als dieser Keulenschlag, da war sie 17:
Ihr erster Freund ließ sie damals stehen. Er flüchtete vor der Partnerschaft, er war ja selbst noch ein Kind.
Dieser Schmerz und was jetzt – 25 Jahre später – passiert, stehen im Zentrum.
Iris begegnet zufällig ihrer einstigen Liebe, er ist Arzt geworden, Dr. Rosen heißt er, und die Frage ist: Soll sie sich von allen ihren Schmerzen befreien, soll sie sich überhaupt befreien, indem sie mit ihm ein neues Leben beginnt?
Er ist bereit dazu.
Oder ist der Schmerz, den sie dadurch in ihrer Umgebung auslösen würde, viel größer, ist er unzumutbar groß?
Was man hat
Iris ist nämlich längst verheiratet und hat zwei fast erwachsene Kinder. Auch wenn sie, wie sie sich einbildet, die ganze Zeit über immer nur an ihre Jugendliebe gedacht hat: Sie sieht sich als nackte Schildkröte und ihren Ehemann, den Micki, immerhin als schützenden Panzer.
In einem Bett mit ihm schlafen will sie trotzdem seit Langem nicht.
Aber dieser Freund aus Jugendtagen ... Zitat: "Wie hässlich das Wort Ehebruch ist, wie kann man einem so schönen, lustvollen Zusammentreffen einen so hässlichen Namen geben? Es ist Lust, nicht Ehebruch ..."
Zeruya Shalev – 56 ist sie und zum dritten Mal verheiratet– bereitet ihren Lesern alle Zuständ’, wenn sie über Liebe schreibt, über Illusion und Desillusionierung.
Sie trifft, wo es besonders unangenehm ist.
Offensichtlich lässt man sich von ihr gern sagen, wofür man selbst keine Worte findet – "Liebesleben" wurde allein im deutschsprachigen Raum 750.000-mal verkauft.
Shalev ist "echt".
Die Figuren sind erfunden, aber die Geschichten, die sind wahr. Deshalb ist es vielleicht sogar wahr, wenn man das Leben liebt mit dem, was man hat, und nicht mit dem, was man nicht hat.