Kultur

Zacherlfabrik: Mottenpulver trifft Muezzin

Die Reise in den Orient ist mit der Straßenbahnlinie 37 und einem kurzen Fußmarsch leicht zu bewerkstelligen: In der Döblinger Nusswaldgasse, unweit einer prächtigen Josef-Hoffmann-Villa, befindet sich die Zacherlfabrik, komplett mit strahlender Kuppel und einer Art Minarett im Hinterhof.

Das Bauwerk, ein wundersames Exotikum in der Wiener Stadtlandschaft, ist am „Tag des Denkmals“ am Sonntag, den 28.9., Schauplatz von Führungen, Vorträgen und Konzerten. Die Fabrik ist ein passendes Aushängeschild für den österreichweiten Aktionstag des Bundesdenkmalamts, der heuer unter dem Motto „Illusion“ steht.

So nah und doch so weit

Ursprünglich war das ab 1888 entstandene Gebäude das Hauptquartier einer Firma, die Insektenschutzpulver herstellte und Teppiche und Mäntel damit behandelte. Der gelernte Zinngießer Johann Zacherl (1814-1888) – der Urgroßvater des heutigen Besitzers – war auf Reisen bis nach Tiflis (Georgien) gelangt und hatte bemerkt, dass die Menschen dort ihre Textilien mit den gemahlenen Blüten einer Chrysanthemen-Art behandelten, die den Wirkstoff Phyrethrum produziert.

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Zacherl zog die Produktion der gemahlenen Blüten, die er als „Zacherlin“ und „original persisches Pulver“ anpries, im großen Stil auf und wurde damit sehr erfolgreich. Es war sein Sohn, Johann Evangelist Zacherl, der beim Marketing voll auf die Illusion des Orients setzte und den Döblinger Firmensitz im orientalischen Stil erbauen ließ. Vor dem Hintergrund des Orient-Booms im 19. Jahrhundert war diese Maßnahme nicht ganz verrückt – als Gebäude blieb die Zacherlfabrik dennoch ein Unikum.

„Ich weiß, was der kulturelle Wert des Hauses ist, und gehe sorgfältig damit um“, sagt Peter Zacherl, Architekt und Urgroßenkel des Firmengründers, der bekennt, schon mehrere Anfragen interessierter Immobilien-Investoren zu einer Verwertung des Hauses abgelehnt zu haben. Ab 2006 öffnete er das Anwesen für Kunst-Installationen und Konzerte. Da die in der Folge an ihn gestellten behördlichen Auflagen nicht zu erfüllen gewesen wären, stellte Zacherl die Bespielung im Vorjahr weitgehend ein.

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Heute nutzen Künstler die Räume als Ateliers, Lager oder Probebühnen, auch als Filmkulisse – etwa für Andreas Prochaskas Historien-Thriller „Das Attentat – Sarajevo“ diente die Fabrik bereits. Der „Tag des Denkmals“ ist nun eine rare Gelegenheit, noch einmal in den Wiener Orient einzutauchen.

Tag des Denkmals

Der Aktionstag bietet jedes Jahr die Gelegenheit, denkmalgeschützte Kulturgüter – darunter viele, die sonst nicht öffentlich zugänglich sind – zu erleben. 71.000 Interessierte besuchten im vergangenen Jahr die Veranstaltung. Heuer steht das Programm unter den Motto „Illusion“. Bei rund 290 Programmpunkten in ganz Österreich - von barocken Deckengemälden bis zu falschen Marmorstiegen im Salzburger Mirabell-Schloss und opulent inszenierten Grabkapellen - stehen Werke im Mittelpunkt, die eine andere Welt vorgaukeln.