Kultur/Wiener Festwochen

Was sich erstaunlich beängstigend nicht ändert

Christoph Marthaler siedelt das Auftragswerk „Letzte Tage. Ein Vorabend“ im historischen Sitzungssaal des Parlaments an, wo sich Sänger und Schauspieler und Instrumentalisten mit der europäischen Politik nach 1914 auseinandersetzen.

Zum 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkrieges erinnert das Musik-Theaterprojekt des Schweizer Regisseurs an die aus Wien und Nazideutschland vertriebenen oder in Konzentrationslagern ermordeten Komponisten wie Erich Wolfgang Korngold, Erwin Schulhoff oder Rudolf Karel.

Holocaust

Das Projekt ist den Opfern von damals und ihrer Musik gewidmet: Einige Kompositionen sind im Konzentrationslager entstanden. Der Musiker Uli Fussenegger vom Klangforum Wien hat die Werke gesammelt und bearbeitet.

„Unsere heutige Zeit erinnert natürlich fatal an jene vor dem Ersten Weltkrieg. Deshalb der Aufführungsort: der historische Sitzungssaal des Parlaments“, sagt Marthaler. „Deshalb spielt ,Letzte Tage. Ein Vorabend‘ in irgendeiner Weise damals, spielt aber auch heute, spielt auch zwischen den Kriegen, während des Zweiten Weltkrieges und in der Zukunft. Das heißt, die Themen sind erstaunlich beängstigend gleich.“

Denn derzeit erleben wir in Europa viel Rückbesinnung auf nationale Partikularinteressen: Nationalistische und rassistische Aufrüstung zur Verteidigung alter Besitzverhältnisse sind oft populärer als ein transnationales Projekt des aufgeklärten europäischen Bürgers.

Marthaler setzt die heutigen Stimmungen und Debatten in ihre historischen Kontexte, springt aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und dem vielsprachig-chaotischen Abgeordnetenhaus der Donaumonarchie durch die nähere und fernere Zukunft bis in unsere Gegenwart.

Info: 17., 18., 21., 24., 25., 27. und 28. 5. (19.30 Uhr) Parlament, historischer Sitzungssaal

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