Kultur

Ein Totengräber, der schaufelt, bis er Würmer findet

Fast immer ist Schatten, und die 200 Stufen zum Haus des Archäologen, der Keltengräber erforscht (und im Ort „Knochenzähler“ genannt wird), ist immer feucht.

Dazu passt gut die Zisterne im Garten, in die „Der Sohn des Knochenzählers“ seine Hamster wirft, falls er sie wieder einmal zu füttern vergessen hat und sie tot sind. Dann kauft er neue.

Die Oberösterreicherin Evelyn Grill hat aus Hallstatt einen Ort gemacht, in den man sich nur noch mit Taschenlampe trauen wird. Sie lebte dort, ist aber mittlerweile in den Breisgau übersiedelt.

Grill ist beim Schreiben immer eine Böse. Wie ein Totengräber schaufelt sie sich unter die Oberfläche und gibt erst Ruhe, bis sie Würmer findet. Das dauert nicht lang.

Verbrannt

Der Sohn des Knochenzählers, Titus heißt er, ist einsam. Eigentlich sollte er nach Wien gehen und Medizin studieren. Er arbeitet lieber am Friedhof. Sein halbes Gesicht ist verbrannt, seit er auf einer Sonnwendfeier ins Feuer gefallen ist.

Alle Inhalte anzeigen
Selbst sein Vater geht ihm seither aus dem Weg, kann ihn nicht anschauen.

Und die Mutter? Ist fort. Einst hatte sie der Archäologe von einer Forschungsreise in Italien mitgenommen und geheiratet. Fesche Frau. Lebenslustig. Die hiesigen Schattengewächse konnten mit ihr wenig anfangen. Sie hat’s hier wahrscheinlich nicht mehr ausgehalten und ist nach Neapel zurück ...

Sonst noch Fragen?

KURIER-Wertung: **** von *****

Info: Evelyn Grill. „Der SohndesKnochenzählers“ Residenz Verlag.136 Seiten. 17,90 Euro

Man kann sich Ernst Soudek nach seiner Rückkehr aus den USA vorstellen, als Englischlehrer, zuletzt an der Wiener Fachhochschule Technikum:

Seine Schüler brauchten ihm nur ein Hölzl zuzuwerfen – Wörter wie Wrestling, Rassismus, Universität, Raubüberfall –, und schon war die Unterrichtsstunde voller Erzählungen. Soudek ist 72.

Er war 19, als er in die USA ging. Einfach so. In Detroit lernte er die Slums kennen.

Der 1960 berühmte Freistilringer „The Crusher“ setzte bei ihm, wegen einer Frau, die Kopfschraube an. Dann tranken sie Bier miteinander. Der 1,90 m große Wiener arbeitete als „Mietzinskassierer“ (=Schutzgeld-Eintreiber), ehe ihn die Universität von Michigan als Sportler entdeckte und ihm mit einem Stipendium die Ausbildung ermöglichte. Ein blitzartiger Aufstieg. Literaturprofessor wurde er und Rekordhalter im Diskuswerfen. Und Freund des Karatekämpfers Bubba Beal, der – in einem Lokal provoziert – seinem Gegenüber die Schädeldecke herunter riss und

https://images.spunq.telekurier.at/46-55166541.jpg/12.918.786
Cover
cover…
cover
das Gehirn ins Auditorium schmiss.

Das zeichnet seine 17 wahren, meist harten Geschichten in „One-way Ticket to Detroit“ aus: Dieses Nebeneinander von Gewaltbereitschaft und akademischer Runde. Ernst Soudek hält sich nicht mit schönem Formulieren auf, sondern plaudert erfrischend, sehr offen, immer interessant. Oft geht es bei ihm um Sex. Das sei ihm vergönnt.

KURIER-Wertung: **** von *****

Info: Ernst Soudek. "One-way Ticket to Detroit“ Illustriert von PM Hoffmann. Falter Verlag. 208 Seiten.19,90 Euro