Serie "Where's Wanda": Irgendein Nachbar muss es doch gewesen sein
Von Christina Böck
Es klingt erstmal wie eine dieser Nordic-Noir-Serien, die sich auf Streamingdiensten großer Beliebtheit erfreuen. Wanda, die 17-jährige Tochter der Familie Klatt, ist verschwunden. Und zwar nach einem Volksfest, das ein gehörntes Fabeltier involviert, das mit Vorliebe schöne Mädchen entführt.
„Where’s Wanda?“, die neue Serie von AppleTV+, ist aber von Nordic Noir so weit entfernt wie der Pumuckl von den Mumins. Das Monster hat sogar einen albernen Namen, es heißt Nuppelwocken. Die erste deutsche Originalproduktion für den US-Streamer ist nämlich eine Komödie. Eher eine Tragikomödie mit Farce-Zügen. Heike Makatsch und Axel Stein spielen Wandas Eltern Carlotta und Dedo, die nach 70 Tagen erfolgloser polizeilicher Suche die Sache selbst in die Hand nehmen. Auslöser ist nicht zuletzt ein Besuch in einer TV-Show à la „Stern TV“.
Bizarre Show
Diese Szene bringt zum Vorschein, wie bizarr die Kombination aus kriminalistischer Öffentlichkeitsfahndung und Abendunterhaltung für Betroffene sein muss. Erst sehen sie eine von Schauspielern (Dedo: „So dick bin ich gar nicht.“) nachgestellte Szene der letzten Momente mit ihrer Tochter, dann sagt ihnen der Moderator, dass sie nach 100 Tagen eh die Hoffnung aufgeben können.
Eklat im Crime-TV
Als Carlotta ihre Tochter emotional direkt anspricht, deutet man ihr hinter der Kamera, sie soll genauso weitermachen. Die Regieanweisung zur Zurschaustellung ihrer Trauer bringt die Mutter dermaßen in Rage, dass es zum Live-Eklat kommt.
Der TV-Auftritt hat aber neben peinlichen auch ermittlungstechnische Nachwirkungen. So hat sich nicht nur eine Zeugin gemeldet, die ein tadelloses Phantombild vom Grüffelo abgegeben hat, es wurde auch ein Shirt von Wanda in einem Altkleider-Container gefunden. Für die Eltern ist nun klar: Ihre Tochter wird in ihrer Kleinstadt Sundersheim festgehalten. Sie beschließen erst, alle 60 in Frage kommenden Häuser zu durchsuchen. Dann, als ihr Sohn Ole meint, das werde beide in Kürze „ins Gefängnis, die Klapse oder den Friedhof“ bringen, disponieren sie um. Auf eine Überwachung der Nachbarn. Und genau an dieser Stelle beginnt auch die Serie, an Tag 84, bereits das 22. Haus wurde mit einer Wanze bestückt. Die verschwundene Tochter kommentiert übrigens aus dem Off. Sich deswegen darauf zu verlassen, dass sie noch lebt oder überhaupt gefunden wird, sollte man aber wohl eher nicht.
Spielfreude
Die Serie spaltet überraschenderweise die Kritiker: Der "Guardian" findet sie „revolutionär“, der Spiegel fragt, ob das eine KI geschrieben hat. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte: Die Satire auf Nachbarschaftsparanoia in der Kleinstadt ist gut getroffen, die Spannung baut sich in den bisher abrufbaren zwei Folgen gut auf. Makatsch und Stein sieht man bei ihren Eskapaden jedenfalls gern zu und auch den Gaststars (Devid Striesow, Joachim Kròl) scheint das Ganze Spaß zu machen.