Wer vier Blatt Papier braucht, zahlt
Von Peter Pisa
In der Zeitung steht, das Maronibratermonopol der Krain ist gefallen, und Maroni werden fortan auch von anderen Ländern nach Wien geliefert.
Merkt man, dass die Zeitung vielleicht nicht aktuell klingt? "Die Krain" ging 1918 in Slowenien auf.
... und in einer Glosse ein paar Seiten weiter steht: "Köpferollen" im Vorstand einer Versicherung.
Naja, im übertragenden Sinn kommt das vor. Hier wird allerdings berichtet, dass den Direktoren der Weg zum Würgegalgen nicht erspart bleiben wird.
Dem Zeitungsleser Prunnhübner fällt das gar nicht auf. Er ist ein Trottel.
Und Ministerialrat.
Der Wiener Christian Locker – Maler und Schriftsteller – hat gern Beamte in den Romanen. Und Habsburger.
Sinn erkennen
Diesmal lässt er Dr. Prunnhübner nach einem Zahnarztbesuch in ein Wirtshaus taumeln – und schon erfolgt damit der Eintritt in eine andere Welt. Es ist keine keine vergangene, sondern eine Parallelwelt, in der in Wien eine Kaiserin regiert und man mit Neu-Kronen und Neu-Heller bezahlt.
Verbraucht man im Wirtshaus nach dem übrigens erstklassigen Backhendl mehr als drei Blatt Papier am Plumpsklo, muss man 15 Neu-Heller draufzahlen.
Könnte durchaus sein, dass Herzmanovsky-Orlando applaudiert, irgendwo. Er plädierte ja auch, den Unsinn zu betrachten, um den Sinn zu erkennen.
Christian Locker macht inzwischen das Theater noch absurder. Denn im jetzt leeren Büro des Ministerialrats hängt ein Bild, und aus diesem Bild fallen zwei gemalte Spaziergängerinnen, Fräulein Alma von Tregotschnigg und ihre Tante.
Sekretärin Mag. Leuchtl (die Einzige mit Durchblick) stellt sie zur Rede und erfährt, dass Alma den Prunnhübner heiraten soll ...
Aufhören! Bzw. lesen! Christian Locker wird von Buch zu Buch besser beim Verrücktspielen. (Fast ist man geneigt zu sagen: Locker wird er.) Fehlt nur ein Lektor, der ihm ein paar Buchstaben wegnimmt und den Ballast abwirft.
Christian Locker:
„Den Galgenvogel abgeschossen“
Edition Roesner.
416 Seiten.
26,90 Euro.
KURIER-Wertung: ****