Kultur

Weltmusik mit Seele als großes Ohren-Kino

Sie zelebriert die Schönheit des Zerbrechlichen. Eine musikalische Globetrotterin, die wie kaum eine andere Jazz-Vokalistin derzeit in ihrem Genre Leidenschaft, Begehren und Enttäuschung, Liebe, Leid und Lust in Songs zum Ausdruck bringen kann, war am Dienstag in der Wiener Stadthalle:

Melody Gardot tourt live mit einem blendend eingespielten Sextett und dem Material ihres aktuellen Albums „The Absence“ (Universal), das den Bogen spannt von Samba über Flamenco bis zur Saudade des portugiesischen Fado, jener undefinierbaren Mischung aus Verlust und Sehnsucht.

Herzlichkeit und Leidenschaft

Schon der dunkel gefärbte Opener „Rain“ ist großes Ohren-Kino. Stimmung pur. Die Klänge und Rhythmen der Straßen von Buenos Aires haben Chansons wie „So We Meet Again, My Heartache“ geprägt. Afrikanisches Kolorit hat „Iemanja“ mit Aufforderung zum kollektiven Tanz ans Publikum – vor „Somewhere“ als Zugabe – und sinnliche Samba-Stimmung verbreitet „Mira“.

Und die Gardot? Die klingt längst nicht mehr nur melancholisch wie auf der CD „My One And Only Thrill“, sondern auch und vor allem leicht und verspielt.

Die 27-Jährige aus Philadelphia gibt sich – so gar nicht extravagante Diva – diesmal erstaunlich herzlich, kokett und bühnensicher. Sie haucht Töne ins Mikrofon, die mit einer ergreifenden Mischung aus Jazz, Blues, Swing und Folk verzaubern. Expressive Offenheit und Leidenschaft in der Stimme wecken Erinnerungen an Legenden wie Billie Holiday oder – mehr noch – Nina Simone.

KURIER-Wertung: ***** von *****