Kultur

Der Streit um die "Korrektheit" der Bilder

Die Meldung machte Schlagzeilen abseits der Kunstpresse: Ein US-Amerikaner mit afrikanischen und israelischen Wurzeln klagte das Metropolitan Museum in New York, weil er sich durch die weißen Jesus-Gestalten, die auf Altmeister-Gemälden im Museum zu sehen waren, diskriminiert fühlte.

Jesus sei kein langhaariger Weißer, sondern wahrscheinlich ein dunkelhäutiger Mann mit krausen schwarzen Locken gewesen.

Es wäre verfehlt, auf diese Episode mit Gleichgültigkeit, Spott oder auch mit Empörung ("Jetzt wollen sie uns auch noch unseren Jesus wegnehmen!") zu reagieren.

Aktuelle Fragen

Historische Museen können zwar nur selten – etwa in Raubkunst-Fällen – für den Inhalt ihrer Sammlungen verantwortlich gemacht werden. Doch die Frage, wie ein Museum vor einem zunehmend kulturell diversen Publikum mit seinen Beständen umgeht, ist heute aktueller denn je zuvor.

Das Amsterdamer Rijksmuseum startete kurz vor Weihnachten eine groß angelegte Aktion, um die Titel und Katalogisierungen seiner Sammlungsbestände nach diskriminierenden Terminologien wie "Neger" oder "Mohammedaner" zu durchforsten. Auch am Wiener Kunsthistorischen Museum ist seit geraumer Zeit eine Arbeitsgruppe installiert, die sich mit der kulturell sensiblen Vermittlung befasst: In den altmeisterlichen Gemälden der Sammlung wimmelt es nicht nur von weißen Jesusfiguren, sondern auch von Nackten und von Szenen der Unterwerfung von Menschen, die anderen Religionen oder Kulturen angehören. "Museen können bei Teilen ihrer Besucher durchaus ein Gefühl von Fremdheit entstehen lassen, je nachdem, mit welcher Erwartungshaltung, mit welchem Vorwissen und welchem kulturellen Background die Menschen in ein Museum kommen", sagt Stefan Weppelmann, Direktor der KHM-Gemäldegalerie, dazu.

Schon bei seiner vormaligen Tätigkeit als Kurator der Staatlichen Museen zu Berlin kam der Kunsthistoriker mit Reibungsflächen in Kontakt: Für einige Schülerinnen bedeutete das Ansehen gemalter Nacktheit ein Tabu; ein Besucher sah in einem Bild und dem Kommentar dazu das antisemitische Klischee der Juden als "Christusmörder" bestätigt.

Nützliche Kontroverse

Ein sensibler Umgang mit derlei Bildern kann aber nicht bedeuten, potenziell kontroversielle Inhalte glattzubügeln oder gar zu zensurieren: Folgt man der Argumentation, die die Museologin Roswitha Muttenthaler in einem Aufsatz darlegte ("Museum/Differenz/Vielfalt", online abrufbar), so gilt es vielmehr, die Fremdheit im Museum auch als Chance zu begreifen.

Museen bilden ein besonderes, geschütztes Umfeld, um Bilder zu betrachten: Ein nackter Körper eines Mannes am Kreuz bedeutet etwas anderes, wenn er in einem Museum, in einer Kirche, im öffentlichen Raum oder in einer Galerie für aktuelle Kunst hängt. Wo gelten welche Regeln? Warum ist ein Objekt in einem Kontext ein Fremdkörper und anderswo nicht? Es sind Fragen der Integration, die im Museum produktiv verhandelt werden können.

Dass uns viele historische Werke fremd geworden sind, erscheint dabei gar nicht als Nachteil: So oder so heißt es Abschied nehmen von der Idee, dass ein Museum der Identitätsbildung dient, indem es "Fremdes" und "Eigenes" klar unterscheidet.

In der Fachwelt wurde dieser Schritt vielfach vollzogen, in Gesellschaft und Politik ist er teils noch nicht angekommen: "Volkskunde" und "Völkerkunde" sind in Österreich in zwei getrennten Museen beheimatet, und Österreichs "Haus der Geschichte" wird sich intensiv mit der Frage zu befassen haben, wessen Geschichte es erzählt.

Die Kunstschätze in den Museen, oft von Habsburgern oder Kirchenfürsten gesammelt, müssen indes keine Macht mehr zementieren: Idealerweise lösen sie Staunen aus, ein positives Gefühl der Befremdung. Es ist eine Ebene, auf der Menschen verschiedener Hintergründe einander begegnen können.