Kultur

"Was wir fürchten": Im Kopf eines Mannes, der sich seit seiner Kindheit verfolgt fühlt

Leser vertragen ja mittlerweile viel, und selbst wenn in einem Roman ein Monster aus der Klomuschel kommt, blättert man weiter. Soll nichts Ärgeres passieren.

Aber zwei winzige Bohrlöcher in der Wand … schrecklich!

Dann nämlich, wenn sie jemand in seiner Wohnung entdeckt und schlagartig sicher ist: Nein, die stammen nicht von einem Kabel, das kürzlich ausgetauscht wurde. Vielmehr wurden diese Löcher von der leerstehenden Nachbarwohnung aus gebohrt, um ihn zu beobachten.

Das Wort "Paranoia" hört Georg gar nicht gern. Das hängt damit zusammen, dass er es schon als Kind von seinen Eltern oft gehört hat, als er dachte, daheim sei alles vergiftet, sogar die Erdbeeren.

"Du hast ja Paranoia", sagte etwa sein Vater (der selbst psychisch krank und oft im Spital war). "Halt den Mund und sei still."

Geheimtipp

"Was wir fürchten" heißt der Roman Jürgen Bauers, den wir fürchten.

Harter Stoff.

Wobei es dem 33-jährigen, in Wien lebenden Kulturjournalisten und Schriftsteller nicht darum geht, die Krankheit zu porträtieren.

Er hat mehr vor – und das macht die Sache nicht unbedingt angenehmer.

Zur intensiven Literatur wird es. Zum österreichischen Geheimtipp des zu Ende gehenden "Bücherfrühlings". (Der "Bücherherbst" beginnt schon Ende Juli.)

Jürgen Bauer bleibt immer im Kopf des etwa 40-jährigen Georg, der seine Eltern verloren hat und auch die Ehefrau. Alles ist Bedrohung – was ja stimmt –, alles bezieht er auf sich.

Erstes "Aber":

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Aber der Weg von gesund zu krank ist kurz. Ist zum Beispiel jemand gestorben, denkt man bei aller Trauer ebenfalls sofort an sich. Kann mir das auch passieren? (JA!) Ist mein Herzflattern gefährlich? Sollte ich vielleicht doch ein Testament machen?

Oder ein Bekannter hat sich verspekuliert. Das hat nichts mit einem selbst zu tun, trotzdem kommt unverzüglich die Frage: Bedeutet dieses fremde finanzielle Desaster etwas für meinen Fall? Habe ich mein Geld sicherer angelegt?

Zweites "Aber":

Aber – und nun folgt ein Zitat von Amos Oz, dem großen israelischen Schriftsteller – "wenn jemand paranoid ist, bedeutet das nicht, dass er keine Verfolger hat."

So ist es. Damit spielt "Was wir fürchten"; und bis zum letzten Satz – nein, auch noch danach – herrscht große Verunsicherung.

Auch könnte passieren, dass man sich vornimmt, im nächsten Leben Psychiater zu werden. Gibt es einen "spannenderen" Beruf? Schriftsteller. Vielleicht Schriftsteller.

KURIER-Wertung: