Aber krank sein, das darf man in Wien
Von Peter Pisa
Gesprochen bzw. gespielt wirkt es bestimmt intensiv, wenn sich der Dichter Georg Trakl ein letztes Mal selbst begegnet, bevor er – früh vom Ersten Weltkrieg traumatisiert – eine Überdosis Kokain nahm und starb.
Walter Kappacher, "Büchner"-Preisträger 2009, hatte von den Salzburger Festspielen den Auftrag für das Ein-Personen-Stück bekommen.
Weil sich 2014 der Ausbruch des Kriegs zum 100. Mal jährte.
Nicht weil Trakl derart wichtig genommen wird – da können seine Verehrer noch so laut schreien, seine Gedichte seien über jene Rilkes zu stellen. Außerdem gibt es in Salzburg, wo Trakl aufwuchs, ja ohnehin eine nach ihm benannte Fußgängerbrücke, der Traklweg ...
Für Kappacher ist er wichtig. Der 76-Jährige Salzburger hat sich die schmerzhafte Arbeit an "Trakls letzte Tage" bestimmt der Verehrung wegen angetan. Letzte Rückschau zu halten und wie Trakl zu denken, muss Qual bedeuten. Nicht nur, weil der Todgeweihte geschüttelt wird, wenn er in Gedanken noch einmal seiner Schwester Gretl begegnet.
Dass er zu ihr eine inzestuöse Beziehung hatte, ist zumindest in diesem Text eindeutig.
Keine Schallplatte
Die Lesefassung des Theaterstücks ist gemeinsam mit "Mahlers Heimkehr" zumBuch geworden – auch dies ein Text für die Festspiele (2012). Noch ein Abschied: Der Komponist und Dirigent kehrt 1911 von triumphalen Konzerten in New York zurück. Herzkrank ist er, betrogen wurde er von Ehefrau "Almschi" ... im Schlafwagen sagt er sich (bzw. Kappacher findet die Worte):
"Die Amerikaner: So vieles ist dort erlaubt und o. k., was in Österreich nicht möglich wäre, aber krank sein dürfen wirst du in Wien."
Gern hätt’ er, dass ihm jemand eine Schallplatte vom "Lied von der Erde" vorspielt. Aber noch gibt es keine Platten in ordentlicher Tonqualität. Außerdem ist niemand da, der irgendeinen Wunsch Mahlers erfüllen würde. Das geht nahe. Näher als Trakl. Wieso geht Mahler näher, immer?
KURIER-Wertung: