Wahre Geschichten wird man nicht finden
Von Peter Pisa
Das Spiel, bei dem der Leser gewinnt, beginnt schon im Titel. Denn in "Nach einer wahren Geschichte" ist nichts weniger als eine wahre Geschichte, und die Schriftstellerin namens Delphine de Vigan, die von einer anderen Frau "übernommen" wird, ist eine Romanfigur und nicht die 48-jährige Pariserin de Vigan, die 2015 mit "Das Lächeln meiner Mutter" Erfolg in Frankreich hatte.
Das ist ein Thriller, zwei Mal wird einem Kapitel ein Satz von Stephen King vorangestellt. Ein Mensch, den man für eine Freundin gehalten hat, kapert nach und nach dein Territorium, deine Identität und teilt allen mit, du möchtest von ihnen nicht mehr gestört werden ...
Verwirrend. Und ein nachdenkliches Buch: Warum lesen wir? Warum wollen so viele nur Authentisches lesen? Vielleicht haben wir die G’schichterldrucker aus Politik und Gesellschaft so satt. Ein 15-Jähriger sagt im Buch: Das Reale habe die Eier, weiterzugehen ... Dabei wird doch jede Wahrheit, sobald man sie aufschreibt, zum Roman.
Delphine de Vigan:
„Nach einer wahren Geschichte“
Übersetzt von Doris Heinemann.
DuMont Verlag. 350 Seiten. 23,70 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern