Kultur

Volkstheater: Schnitzler bleibt Schnitzler

Der Löwe, Leihgabe des Naturhistorischen Museums, ist das schönste Symbol fürs Stück. Selbst tot setzt er noch zum Sprung an, ein Leben zu nehmen. Welch eine Metapher für Arthur Schnitzlers Schauspiel "Der einsame Weg".

Der Löwe dreht sich in einer weiß ausgeschlagenen Arena, mit ihm die wenigen Versatzstücke, die's braucht, um Orte klarzumachen. Ein paar Stühle, ein Plastik-Gewächshaus, ein Servierwagen. Verdorrte Bäume hängen verkehrt von der Decke.
Dazu senkt sich bei Bedarf eine Leuchttafel. "Fort" steht darauf - weg aus dieser Existenz, später: "Komm" - mit in den Untergang.

Dazu gibt's einen Autor von Sala in Plisseekleid und Glamrockledermantel, einen Maler Fichtner in Jogginghose zu nacktem Oberkörper. Felix, der k.u.k.-Offizier, trägt Tarnkampfanzug.

Ah, sagt die Optik im Volkstheater. Da hat sich einer einsam einen Weg geschneist und will ein wenig Regietheatersalz in Publikumswunden streuen.
Nein.

Regisseur Alexander Nerlich, er ist 32 Jahre alt, hat Schnitzler inszeniert. Wort für Wort. Ohne des Dichters Text auch nur in irgendeiner Form Gewalt anzutun.
Ohne aber auch Salonton-Singsang zuzulassen.
Der Weg ist hart. Heute.
Aufbruch in die Moderne!

Tod und Trieb

Für die Gewalt sorgen die Figuren, die am Ende mit Axt und Messer auf sich und andere losgehen. "Ruby Tuesday" klampft Günter Franzmeier dazu auf der Stromgitarre, als Julian Fichtner ein lang schon angegrauter "junger Wilder".

So erzählt Nerlich die Story: Eine Alt-68er-Kommunengeneration, wo jeder mit jeder. Und jetzt?

Liegen ihre besten Zeiten im Künstlergrab. Aber der Trieb ist noch da. Also?
Kramen die Egomanen in ihrer ach so glorreichen Vergangenheit und zerstören mit dem hervorgezauberten Zerrbild die Zukunft.

Alles ist Dekadenz. Man spielt Überdruss. Das macht das Aneinandervorbeireden leichter. Denn den eigenen Blickwinkel, das Trutzwinkerl, will eh keiner verlassen.
Nerlich unterlegt diesen Schnitzler'schen Subtext mit wunderbaren Bildern. Eine Schattenspiel-Umarmung in einem als Dia projizierten Sonnenuntergang.

Im Zentrum der Schauspieler tobt Franzmeier. Sein Fichtner holt diese Untergangsgesellschaft aus dem Wachkoma, nur um ihr den Todesstoß zu versetzen.
Denis Petkovic; bringt als am Herzkasperl laborierender Stephan von Sala noch die Kraft auf, "Johanna" Nanette Waidmann zu verführen. Ein hocherotisches Paar. Das sich für Selbstmord entscheiden wird.

Simon Mantei überzeugt als Felix, der sich zwischen Erzeugervater Fichtner und Ernährervater Professor Wegrat (Erwin Ebenbauer) entscheiden muss. Die Väter bleiben über. Bleiben zurück. Sie haben den Löwensprung aus dem Leben verpasst.

KURIER-Wertung: ****
von *****

Fazit: Ein rücksichtslos fordernder Abend

Stück: Über Professor Wegrat und seine sterbenskranke Frau Gabriele brechen Kunst-Figuren aus der Vergangenheit herein. Maler Fichtner, der ein Pantscherl mit Gabriele hatte, fordert seine Vaterrechte an Sohn Felix ein. Der sterbenskranke Autor Sala beginnt ein Pantscherl mit Tochter Johanna. Das Ende: tödlich.

Inszenierung: Rücksichtslos fordernd wie die Figuren im Stück. Easy viewing am Theater geht anders. Gut so! Regisseur Nerlich und Bühnenbildner Wolfgang Menardi setzen Maßstäbe. Schnitzler bleibt Schnitzler. Und entsteht dabei doch neu.

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