Kultur

Volkstheater-Sanierung ist selbst Sanierungsfall

Anfang Mai verkündete die Direktion des Wiener Volkstheaters stolz, dass die Generalsanierung – also des Gebäudes – "auf Schiene" sei. Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny und Kulturminister Thomas Drozda (beide SPÖ) zeigten sich bei der Pressekonferenz höchst "angetan von den Plänen".

Vorgesehen waren nicht nur ein neues Café im Erdgeschoß, ein neues Kartenbüro, eine neue Zentralgarderobe, eine neue Seitenbühne und eine neue Klimaanlage: Ein Lift würde eingebaut werden, der direkt zur Roten Bar führt, die Sanitäranlagen und die Bühnentechnik würden modernisiert, Beleuchtung und Akustik optimiert. Und die Dachkonstruktion über dem Bühnentrakt gedachte man anzuheben, um mehr Platz für Büros zu schaffen.

Die Gesamtkosten bezifferte Cay Stefan Urbanek, der kaufmännische Direktor, mit 27,5 Millionen Euro. Jeweils zwölf Millionen wollten Bund und Stadt zur Verfügung stellen, das Volkstheater sagte zu, "Eigenmittel" in der Höhe von 3,5 Millionen Euro beizutragen. Ein Drittel dieser Summe hätte man bereits investiert – in die neue Besuchertribüne. Die 1,2 Millionen als "Eigenmittel" zu bezeichnen, ist jedoch kühn. Denn das Volkstheater nahm hierfür einen Kredit auf.

Viel Lärm um nichts

Die Arbeiten sollten im Mai 2018 beginnen – und bis Ende Oktober dauern. Ein halbes Jahr also würde es im Volkstheater keine Vorstellung zu sehen geben. Als letzte Premiere kündigte Direktorin Anna Badora "Viel Lärm um nichts" an – am 2. März. Und von 4. Mai an wollte sie im Ausweichquartier Odeon en suite das Musical "Lazarus" von David Bowie spielen.

Das Theater in der Taborstraße wurde daher von Mitte April bis Mitte Juni und von Mitte August bis Mitte Oktober angemietet. Doch nun muss Hausherr Erwin Piplits ein Programm aus dem Hut zaubern. Denn das Volkstheater stornierte die Buchung.

Über die Hintergründe wird eifrig geschwiegen: Das Büro des Kulturstadtrats verwies auf die Zuständigkeit des Volkstheaters, und das Volkstheater wollte sich – noch – nicht äußern. Dabei brennt bereits jetzt der Hut. Gerüchten zufolge seien die Kosten explodiert bzw. viel zu niedrig angesetzt worden.

Im Jahr 2014, also in der Direktionszeit von Michael Schottenberg, waren die Kosten für die Sanierung mit 35 Millionen beziffert worden. Nach dem Amtsantritt von Badora hieß es, dass man auch mit 27,5 Millionen Euro das Auslangen finde.

Tatsächlich aber sollen, den Kostenvoranschlägen zufolge, weit über 40 Millionen Euro benötigt werden. Da die Politik sich, wie man hört, nicht erpressen ließ, blieb dem Theater nur der geordnete Rückzug: Dem Vernehmen nach wird die Sanierung verschoben. Daher braucht man das Odeon nicht – und muss eine saftige Abschlagszahlung leisten.

Kapitalismuskritik

Beseitigt ist das Problem damit aber nicht. Denn bereits Ende Mai 2017 hatten Badora und Urbanek die Belegschaft mit den Konsequenzen der Sanierung, die wohl auch eine Budgetsanierung mit sich gebracht hätte, geschockt: Zahlreiche Mitarbeiter sollten gekündigt werden; man versprach, sie nach vier Monaten Arbeitslosigkeit wieder anzustellen. Das ehemalige Theater der Gewerkschaft wies höflich darauf hin, dass die Mitarbeiter selbst beim AMS Arbeitslosengeld beantragen müssen. Das ist gelebte Sozialdemokratie.

In der Belegschaft gärt es: "Auf der Bühne den Kapitalismus kritisieren – und selber kapitalistisch agieren: Das ist heuchlerisch!" Manche suchten sich bereits andere Arbeitsplätze – und gehen. Nun bricht das ganze Kartenhaus zusammen.