Kultur

"Volksfeind" im Burgtheater: Öko-Troll im Eislaufverein

Das Stück, das am Samstag im Burgtheater Premiere hatte: Das war schon ziemlich gut. Es beeindruckte mit großen Gesten, mächtigen Bildern, Metaphern sonder Zahl – und sinnfälligen Zitaten von Antonio Gramsci bis Michael Jackson. Man wird nicht sagen können, sich in den mehr als drei Stunden irgendwie gelangweilt zu haben.

Aber dieses Stück war genau das, was es anprangerte: manipulativ und Zusammenhänge verdrehend. So hinterließ es, trotz des sicher hehren Ansinnens, einen zumindest fahlen Nachgeschmack.

Das Stück, das am Samstag Premiere hatte, nennt sich "Ein Volksfeind" und stamme, laut Ankündigung, von Henrik Ibsen. Die Aufführungsrechte des Stücks, das am Samstag Premiere hatte, besitzt aber Frank-Patrick Steckel, der Vater der Regie geführt habenden Jette Steckel. Er erzählte auf Basis von Ibsens Stück eine tendenziell ganz andere, ja sogar tendenziöse Geschichte.

Natürlich: Im Original wie auch in dem Stück, das am Samstag Premiere hatte, geht es um ein Verbrechen an der Umwelt aus kapitalistischen Gründen. Damals, 1882, als Ibsen sein Stück schrieb, waren nicht näher bestimmte "Mikroorganismen" Schuld, dass die Gäste des Kurbads gesundheitlichen Schaden nahmen; heutzutage ist es eben hexavalentes Chrom. Soll sein, falls man der Meinung ist, mit solchen Details Brisanz und Aktualität der Problematik unterstreichen zu müssen.

Wohlige Wärme

Aber Steckel eliminierte nicht nur die Rolle des unbeteiligten und daher unparteiischen Kapitäns Horster, er gruppierte nicht nur Szenen und Dialoge um: Er griff auch massiv in das Beziehungsgeflecht der handelnden Personen ein. Er stellt zum Beispiel die Kernfamilie des Badearztes Tomas Stockmann, der den Skandal publik machen möchte, als eine eingeschworene, idealisierte Gemeinschaft dar. Wenn sie rund um den Tisch beim Essen sitzt: Dann strahlt nicht nur die Lampe über ihnen wohlige Wärme aus.

Im Original ist die Tochter, eine angehende Lehrerin, entsetzt darüber, dass der "Zeitungsfritze" Hovstad nur deshalb die Anliegen ihres Vaters unterstützt, weil er das "Fräulein Petra" für sich gewinnen möchte: Sie zeigt ihm mit einem "Pfui Teufel" die kalte Schulter. In dem Stück hingegen, das am Samstag Premiere hatte, drückt sie lispelnd und linkisch dem Herrn Redakteur einen Kuss auf den Mund.

Befremdlich wirkt zudem die Kritik von oben herab über die heimische Innenpolitik und das Wahlverhalten. Keiner der Beteiligten (weder des Leading Teams, noch der Schauspieler in den tragenden Rollen) stammt aus Österreich; aber nicht die menschenverachtende Radikalität der AfD wird gegeißelt, sondern der Besuch einer Burgtheatervorstellung von Heinz-Christian Strache.

Die Einstellungen der rechtspopulistischen Grinsekatze sollen keineswegs verteidigt werden; aber da verkommt Theater zur Plattitüde. Die Besucher sind nicht unbedingt Volltrotteln. Und sie reagieren auf Versuche von Gehirnwäsche leicht gereizt. Der Applaus fiel daher eher verhalten aus.

Allerdings: Bühnenbildner Florian Lösche führt uns eindringlich vor Augen, dass wir bereits jede Bodenhaftung verloren haben. Im Gegensatz zu allen anderen tragen Joachim Meyerhoff als Doktor Stockmann, der die kontaminierte Badeanstalt schließen lassen möchte, und die Seinen, darunter Dorothee Hartinger als Ehefrau, keine Schlittschuhe: Sie sie sind die Barfüßigen, die Trolle aus dem hohen Norden.

Wenn Meyerhoff dann doch seine Öko-Sandalen gegen Kufen tauscht, um auf dem spiegelglatten Parkett der Politik den Kampf aufzunehmen, macht er sich zur Witzfigur. Keiner beherrscht die Kunst, sich galant zu bewegen, wie der allglatte Bürgermeister, der ob der nahenden Wahl den Skandal zu vertuschen bzw. runterzuspielen versucht. Mirco Kreiblich, Sebastian Kurz nicht unähnlich, brilliert im himmelblauen Slim-fit-Outfit des Eiskunstläufers mit Pirouetten und "eingesprungenen Doppelkompromissen".

Allerdings, wie Meyerhoff anmerken wird: Es geht nicht ums Schaulaufen. Es geht nicht um die Graben-kämpfe zwischen links und rechts. Und es geht auch nicht um die "Umwelt"; es geht jetzt schlicht um die "Welt". Ob man dazu Videoprojektionen mit gewaltigen Bildern von Flutwellen benötigt? Noch dazu in einer Institution, die stolz darauf ist, von einem Automobilhersteller gesponsert zu werden, der Abgaswerte manipuliert?

Apathische Masse

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Meyerhoff hält die bis zur Unkenntlichkeit abgeänderte Rede Stockmanns (die ihn zum "Volksfeind" macht, weil er den wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt torpediert) zu acht riesigen Gartenzwergen. Sie wackeln ein wenig; die Hände aber bleiben abwartend hinter dem Rücken verschränkt.

Meyerhoff redet sich den Mund fusselig, er beklagt die "Tricks" der Klimawandelleugner. Mit seinem "Zwergenaufstand" vermag er jedoch nichts zu bewirken: Die Monsterzwerge drängen ihn über die Rampe ab. "Ein ganzer Saal voll apathischer Arschlöcher", stellt Meyerhoff dann fest. Und hält eine empathische Brandrede.

Jette Steckel hatte das Stück als Farce gezeichnet – mit Journalisten als der Politik gefügigen Clowns. Nun endet sie mit einem Märchen, das Ignaz Kirchner sehr berührend als geläuterter Kapitalist erzählen darf. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt.