Kultur

Verheerendes Zeugnis für die Ära Noever

Es war einer der Aufreger des Kulturjahres 2011: Peter Noever (71), langjähriger Direktor des Museums für Angewandte Kunst (MAK), wurde nach privaten, falsch abgerechneten Feiern fristlos entlassen.

Inzwischen hat sich der Rechnungshof die Gebarung des MAK angeschaut. Dem KURIER liegt dieser Rohbericht nun in weitesten Teilen vor. Dieser wurde inzwischen dem Kulturministerium und dem Museum zur Begutachtung vorgelegt.

In einem nächsten Schritt werden nun Anmerkungen und Kommentare für den Endbericht eingearbeitet – das dürfte auch ein Gegengewicht zu den bisherigen Rechnungshof-Erkenntnissen ergeben. Der Rohbericht ist jedenfalls verheerend.

Die Millionendrohung

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2011 wurde Noever fristlos entlassen. Der Grund: Private Geburtstagsfeiern für seine Mutter im MAK und falsche Rechnungen an das Museum. Doch Noever bekämpft diese Entlassung. Bekannt war, dass er mehrere Hunderttausend Euro – laut Rechnungshof konkret 482.700 Euro an entgangenen Leistungen (Urlaubsansprüche, Prämien etc.) gefordert hat. Neu ist, dass Noever diese Rückforderung mit einer Millionendrohung untermauerte: "Weiters forderte er durch seinen Dienstvertrag nicht abgegoltene Leistungen in Höhe von bis zu 7,3 Millionen Euro. Der Kläger behielt sich die Geltendmachung bzw. Ausdehnung der Klage um diese Ansprüche ausdrücklich vor", betont der Rechnungshof.

Der ehemalige MAK-Direktor hat laut Rechnungshof seit der Ausgliederung des Museums zur Jahrtausendwende immer mehr Geld für sein Direktorium ausgegeben. Um 58 Prozent mehr Geld als 2001 beanspruchte die MAK-Direktion 2010 für sich. Zum Vergleich: der wissenschaftliche Bereich bekam 14 Prozent mehr, die Restaurierung 2,3 Prozent.

Persönlich musste sich Noever nicht mit dem ohnehin fürstlichen Direktorengehalt (2008 waren es 185.100 Euro) begnügen: er bekam auch noch einen "leistungsbezogenen Zuschlag" von 20 Prozent.

Nur: Der Dienstvertrag setzte für diesen "Leistungszuschlag" keinerlei Leistung voraus. Noever bekam diesen automatisch, sobald das Ministerium die Jahresbilanz abgesegnet hatte.

Fehlende Ausschreibung und 50 Prozent weniger Besucher

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Noever war der längstdienende Direktor in österreichischen Museen: Seit 1986 stand er dem MAK vor. Seit 2000 wurden die Vertragsverlängerungen offenbar nur noch nebenbei und abseits des Lichtes der Öffentlichkeit abgewickelt: "Keiner Wiederbestellung (...) ging eine öffentliche Ausschreibung voraus", schreibt der Rechnungshof – und das sei "rechtswidrig".

Seit der Ausgliederung zur Jahrtausendwende haben sich die MAK-Mitarbeiter zunehmend für die Welt außerhalb Österreichs interessiert: Die Dienstreisekosten stiegen um 785 (!) Prozent (Vergleich 1995 – 1999 mit 2001 – 2010). Noever selbst war besonders oft im Ausland: Er unternahm durchschnittlich 23 Dienstreisen pro Jahr und verbrachte folglich bis zu 45 Prozent seiner Dienstzeit im Ausland. Im Durchschnitt seit 2001: 79 Arbeitstage pro Jahr (entspricht 35,7 Prozent der Dienstzeit).

Mit 185.602 Besuchern war das MAK im Jahr 2010 laut Kulturbericht ohnehin schon das zweitschlechtest besuchte Bundesmuseum. Aber laut Rechnungshof war fast die Hälfte dieser Besucher auch noch unrechtmäßig angeführt. Das MAK rechnete unter anderem jene 6630 "Besucher" in die Statistik ein, die das Museum über den Personaleingang betraten, also wohl vorwiegend Mitarbeiter und Lieferanten. Auch 70.453 Besucher von Vermietungen wurden hinzugerechnet. Der Rechnungshof hält fest: Die wirkliche Besucherzahl der Ausstellungen und Sonderausstellungen im MAK-Hauptgebäude belief sich auf 97.749, also knapp 53 Prozent der vom MAK ans Ministerium gemeldeten Zahl.

Verschwundene Kunst

Das MAK konnte dem Rechnungshof nicht mitteilen, wo sich tausende Objekte aus der Sammlung befinden. 1600 Asiatika, 2800 Objekte aus dem Bereich Metall/Wiener Werkstätte, 2200 Objekte aus dem Bereich Holz waren mit Standort "unbekannt" in 25 verschiedenen, einander auch widersprechenden Datenbanken verzeichnet. Als Verlustgrund war überwiegend "Sonstiges" angeführt.  Der Rechnungshof fand heraus, dass einige Objekte, die als fehlend verzeichnet wurden, schon längst restituiert oder auch an Leihgeber zurückgegeben worden waren.

Auch eine Inventur im Jahr 1999 brachte keine Klarheit; bei dieser wurden Kisten teils gar nicht geöffnet.

Besonders frappierend: Das MAK übermittelte dem Ministerium nach dieser Inventur nicht wahrheitsgemäße Meldungen über Erfassung und Standort des Sammlungsgutes. Der Rechnungshof "kritisierte die unvollständige und unrichtige Information". Und empfiehlt, "künftig wahrheitsgemäße Meldungen (...) vorzulegen".

Geburtstagsfeiern: Der Auftrag zur Dokumentenvernichtung

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Sie waren der Anlass für Peter Noevers Entlassung: Private Geburtstagsfeiern, die der MAK-Direktor im Museum für seine Mutter ausrichtete.

Insgesamt waren es zehn Geburtstagsfeiern, die 2000 bis 2009 im MAK veranstaltet wurden, hält der Rechungshof  (RH) fest. Kosten für den Steuerzahler: 172.000 Euro.

Und Noever wusste offenbar frühzeitig, dass dies für ihn unangenehm werden konnte.

Im Herbst 2010 wies der ehemalige MAK-Direktor laut Rechnungshof "eine Dienstnehmerin an, ihm sämtliche Unterlagen zu den Geburtstagsfeiern seiner Mutter zu übergeben und die entsprechenden Dateien zu löschen". Trockener Nachsatz: "Der RH empfahl dem MAK, Unterlagen, die dem Nachweis der betrieblichen Veranlassung dienen können, aufzubewahren."

Nutzen Noever hatte argumentiert, dass die Feiern auch dem MAK einen Nutzen brachten, u.a. durch Sponsoren-Gewinnung bzw. -Pflege. Dahingehend konnte das MAK dem RH jedoch "keine Unterlagen vorlegen, aus denen die betriebliche oder private Veranlassung der Geburtstagsfeiern abgeleitet werden konnte", so der RH. Denn diese waren vernichtet worden.

Trotz fehlender Unterlagen bringt der Rechnungshof auch Licht in die Causa Geburtstagsfeiern: Das MAK trug die Aufwendungen der Feiern, Noever wurde nichts weiterverrechnet. Dies solle nun nachträglich "zur Gänze" geschehen, empfahl der RH.

Bei den Recherchen wurden dem RH Rechnungen zu den Geburtstagsfeiern vorgelegt, die "falsche Angaben enthielten": Sowohl Art und Umfang der entsprechenden Veranstaltungen als auch die Datumsangaben der Leistungen waren falsch. Auch gab es keine Lieferscheine bezüglich der bei den Feiern konsumierten Waren.

Dienstreisen: 58 Flaschen Alkohol bei einem Dinner

Wenn man schon Party macht, dann richtig. Vor allem, wenn der Steuerzahler dafür aufkommt. Stipendiaten der MAK-Dependance in Los Angeles saßen 2007 mit dem ehemaligen MAK-Direktor Peter Noever bei einem Abendessen zusammen. Und es muss ein fürstliches Gelage gewesen sein: die acht Anwesenden konsumierten gemeinsam 58 Flaschen alkoholischer Getränke, die Noever dem MAK verrechnete, hält der Rechnungshof in seinem Rohbericht fest. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sah die entstandenen Kosten von 567 Euro als "privat veranlasst" an.

Ebenfalls kritisiert: Noever löste 2005/06 bzw. 2008 bis 2011 insgesamt rund 596.000 Prämienmeilen ein, 365.000 davon für Upgrades von der Business Class in die First Class auf Dienstreisen nach Los Angeles. Eine Regelung dafür, wie Mitarbeiter dienstlich gesammelte Meilen verwenden dürfen, gab es im MAK nicht.

Lesen Sie morgen weitere Details über die verheerende MAK-Bilanz von Peter Noever