Hochburg des Antisemitismus
Von Thomas Trenkler
1913 war die Universität Wien die viertgrößte der Welt gewesen, in der Zeit des Nationalsozialismus verkam sie zur "Provinzuni": Aus rassischen oder politischen Gründen wurden insgesamt 322 Wissenschaftler – 82 Professoren, 233 Dozenten und sieben Lektoren – entlassen.
Im März und April 1938, unmittelbar nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich, hatte das vom NS-Regime eingesetzte Rektorat bereits 252 Universitätslehrer "entfernt". Dies sei, so der Journalist Klaus Taschwer (Der Standard), "in der Weltgeschichte einzigartig": Derart brutal soll man weder im Deutschen Reich, noch in der Sowjetunion vorgegangen sein. Die Uni Wien war geradezu die "Hochburg des Antisemitismus". So lautet auch der Titel eines Buches von Taschwer, das noch im April erscheinen soll.
Der Journalist gehört zu einem Team unter der Leitung von Franz Stefan Meissel und Thomas Olechowski, das im Jubiläumsjahr "650 Jahre Universität Wien" eine schonungslose und deprimierende Ausstellung über die NS-Zeit und ihre Auswirkungen zusammenstellt hat.
"Bedrohte Intelligenz", am Dienstag eröffnet, ist aus mehreren Gründen bemerkenswert: Sie wird nicht nur in der Aula des Hauptgebäudes gezeigt (bis 6. April), sondern in der Folge auch an drei weiteren Standorten, darunter im Juridicum. Als Wanderausstellung im halböffentlichen Raum hat sie ohne Originaldokumente auszukommen: Sie besteht aus 70 großen, robusten Tafeln. Alexander Kada hat diese bewusst als "Zeitungsseiten" gestaltet: mit fetten Titeln als Eyecatcher. Das geringe Budget (keine 100.000 Euro) verunmöglichte einen Katalog; um aber ein Begleitmedium zu haben, wurde die "Wandzeitung" auch gedruckt – eben als Zeitung im KURIER-Format mit hoher Auflage.
"Brechreiz"
Die Schau setzt nicht mit der Gleichschaltung 1938 ein, sondern mit den Anfängen des Antisemitismus an der Uni. Während des Ersten Weltkriegs (1914–1918) war es zu einem starken Zuzug von jüdischen Studenten aus Galizien und der Bukowina gekommen: Der Anteil der Hörer lag in manchen Fakultäten bei über 50 Prozent. Das verstärkte den seit Ende des 19. Jahrhundert feststellbaren Judenhass unter den Professoren. Der Paläontologe Othenio Abel, Gründer eines schlagkräftigen antisemitischen Netzwerkes, schrieb 1917, dass seine "tüchtigen Studenten" an der Front stünden; zurückgeblieben seien "polnische Juden und Jüdinnen, deren Anblick allein schon Brechreiz" errege.
Immer lauter wurden Rufe nach Zugangsbeschränkungen für jüdische Studenten. Es kam zwar nicht zur Einführung eines rassisch motivierten Numerus clausus (wie an den US-Universitäten Yale oder Harvard); die Zahl der jüdischen Studenten verringerte sich dennoch massiv: aufgrund Zugangshürden bei der Inskription sowie durch Ausübung psychischer wie physischer Gewalt. Ab 1922 machten vor allem die "Hakenkreuzler" massiven Terror.
"Brutstätte"
Der Theologe Theodor Innitzer ging als Rektor zwar 1928/29 entschieden gegen antisemitistische Ausschreitungen vor; unter dessen Nachfolger Wenzel Gleispach aber wurde die Uni "zu einer Brutstätte des Nationalsozialismus": Am 23. Juni 1931 brachten Parteigänger auf den Pfeilern beim Haupteingang zwei Tafeln aus gelben Karton mit den Worten "Juden Eintritt verboten!" an.
In der NS-Zeit unter Rektor Fritz Knoll, der seine Vorlesungen in SS-Stiefeln hielt (und noch 1961 von der Uni für seine Tätigkeiten "in schwerer Zeit" ausgezeichnet wurde!), intensivierte man die Rassenforschung. Vom NS-Regime deportiert und im KZ getötet wurden elf Professoren, darunter Norbert Jokl, Alfred Tauber, Stephan Brassloff und Elise Richter. Die Professorin für Romanische Philologie, 1865 in Wien geboren, war die erste Frau im deutschen Sprachraum, die sich habilitiert hatte.
Zudem schloss man 23 Prozent aller Studierenden (2230 Personen) aus; zumindest 90 wurden ermordet. Erinnert wird in der Schau u. a. an August Blandenier und Elfriede Hartmann. Sie bezahlten mit dem Leben, weil sie Widerstand leisteten.