Über die Träumereien wird nicht gespottet
Von Peter Pisa
So groß sind die Träume ja gar nicht.
Als die zehnjährige Eileen im Schulhof 50 Cent findet, überlegt sie, ob sie damit eine Schildkröte kaufen soll.
An dem Preis erkennt man sogleich: Diese Geschichte liegt gut fünf Jahrzehnte zurück.
Heute wird’s wohl auch nicht mehr geschehen, dass das Mädchen bestraft wird, weil es die Münze nicht unverzüglich in der Schule abgegeben hat.
Oder Mister Pollock, Rechnungsprüfer der American Bearing Company: Seine Frau hat ihn soeben verlassen – und er würde nun gern mit einer feschen Kellnerin auf ein Gläschen gehen. Fragen hätt’ er sie ja können.
Am Arm anfassen hätte er sie allerdings nicht dürfen.
Abgearbeitet
"Ein persönliches Besitzstück" und "Der Rechnungsprüfer und der wilde Wind" sind zwei spät entdeckte kleine Erzählungen von Richard Yates (1926 - 1992).
Yates wird wohl zum letzten Mal auf dieser KURIER-Seite gefeiert werden. Denn seit 2002 bringt die Deutsche Verlags-Anstalt die Bücher des Amerikaners in Übersetzung, alles begann mit Verspätung zehn Jahre nach seinem Tod mit "Zeiten des Aufruhrs" ... und jetzt sind nur noch diese neun nicht ganz so genialen Kurzgeschichten übrig, gesammelt unter dem Titel "Eine letzte Liebschaft".
Richard Yates hat sich an den Widrigkeiten seiner Existenz abgearbeitet. Viele Figuren haben mit ihm und seinem Umfeld zu tun.
Kein Wunder, dass er niemals über die Hoffnungen und Hoffnungslosigkeiten gespöttelt hat. Diese Menschen sind ihm nah.
In den Kurzgeschichten findet man (sollte wirklich jemand danach suchen) Hemingway und Fitzgerald. Für Momente gehen Fenster auf, am Schluss fallen sie meist überraschend zu. Das Ende einer Geschichte musste für Yates unausbleiblich sein.
Der abgewiesene Mister Pollock läuft durch die Straßen, ohne eine Ahnung zu haben, wohin er geht.
Richard Yates:
„Eine letzte Liebschaft“
Übersetzt von Thomas Gunkel.
DVA. 208 Seiten. 20,60 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern