Kultur

Transsylvanische Transfusionen

Vor etwas mehr als einem Jahr wurden Kaja Dymnicki und Alexander Pschill Eltern. Und nun haben sie ein zweites Baby: das Bronski & Grünberg Theater in der Porzellangasse 8. Es öffnete am Mittwoch seine Pforten – mit einer recht abgefahrenen Dramatisierung von Bram Stokers Roman "Dracula".

Man kann durchaus von einem Familienbetrieb sprechen. Denn Vater Pschill, ein pensionierter Arzt, half tatkräftig beim Umbau des ehemaligen Vienna International Theatre mit, das im Sommer 2012 geschlossen wurde. Und er betreibt das Buffet, das exzellente Weine zu moderaten Preisen wie auch ungewöhnliche Speisen – statt Brötchen gibt es Wildlachs und Weißwurst – anbietet.

Nicht nur der Pausenraum, ausstaffiert mit polnischen Flamingo-Stofftapeten, ist ziemlich einzigartig: Dymnicki und Pschill, die 2015 für ihre Version von "Gefährliche Liebschaften" mit dem Nestroy für die beste Off-Produktion ausgezeichnet wurden, kreierten ein fixes, wenn auch individuell adaptierbares Bühnenbild für alle Produktionen. Diese "black box" mit insgesamt sechs Türen und einem Gang erlaubt Klamauk – und ermöglicht Schreckmomente. Weil zum Beispiel Graf Dracula in der einen Tür verschwindet– und aus einer ganz anderen wieder erscheint.

Dymnicki und Pschill zeichnen auch für den Text verantwortlich. Laut Untertitel sei ihre Dramatisierung ein "Vampir-Melodram" und eine "Antifaschismusposse". Das stimmt weder noch. Denn der Stoff wird mit viel absurdem Witz in der Nachfolge eines Tadeusz Kantor und möglichst klischeefrei nacherzählt; (gesellschafts-) politisches Theater aber findet man in der wirklich turbulenten Inszenierung – selbstredend von Dymnicki und Pschill – nur in Ansätzen. Nein, es geht nicht um Antifaschismus, es geht um Macht, Trieb und Sexualität.

Fliegen mit Genuss

Bis zur Pause ist "Dracula" ein wunderbares Solo für zwei – und relativ nah an der Vorlage: Matthias Mamedof trifft als chaplinesker Makler Jonathan Harker auf der Burg des Grafen in Transsylvanien ein und wird von diesem gleich gehörig eingeschüchtert. Alexander Jagsch agiert als Dracula im Samtanzug furchterregend: Bei seinem Wahnsinnslacher möchte man das Weite suchen. Die verbotene Tür aber, mit einem "NEIN!" markiert, übt eine zu große Faszination aus: Der Makler lässt sich nur zu gerne von den Vampirinnen verführen; er wird in der Folge mit Genuss Fliegen verspeisen – was im Roman Renfield vorbehalten bleibt.

Mit Fortdauer löst sich die Inszenierung immer stärker von der Vorlage. Eine sonderbare Gruppe rund um den Jammerlappen Doris (Hindinger Mina) und die viktorianische Mama (Pilar Aguilera) versucht die somnabule wie laszive Lucy (Julia Edtmeier) vor den Verführungen des nach England eingewanderten Grafen zu schützen.

Die Männer – Josef Ellers als Dr. Seward, Aleksandra Corovic als Van Helsing und Rafael Schuchter als Arthur Holmwood – spenden eifrig Blut. Zu jeder Transfusion erklingt Pink Floyd. Aber, wie Van Helsing einmal treffend bemerkt: "Es hört jetzt langsam auf, Spaß zu machen."